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Mike Kilian

 

 

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Mike Kilian, Jahrgang 1961, ist Sänger, Komponist, Produzent und Texter. Mike Kilian ist aber auch die markante Stimme von ROCKHAUS und war Teil der legendären Gitarreros. Seit fast 30 Jahren ist er nun schon im Musikgeschäft, und man kann wahrlich behaupten, dass ohne in was fehlen würde. Ende letzten Jahres erschien sein aktuelles Album "Mächtig verdächtig", das wir auch schon in unserer Radiosendung ausführlich vorgestellt haben. Mike Kilian steht für ausdrucks- und kraftvollen Deutschrock der Extraklasse. Doch wie kam er zur Musik? Wie war das damals bei Rockhaus und wie läuft es heute bei ihm? Diese und andere Fragen stellte Fred in einem Interview-Marathon, dessen Antworten Ihr jetzt hier nachlesen könnt...
 

 

Es gibt ein neues Mike-Kilian-Album, das beachtet und gelobt wird.
Das stimmt. Die neue Scheibe "Mächtig verdächtig" und die Tour dazu laufen sehr gut.
 
 

Dass es bei Mike Kilian sehr gut läuft, war nicht immer so. Gelegentlich konnte man den Eindruck gewinnen, Du warst mit den falschen Sachen zur falschen Zeit präsent.
Auch das stimmt (lacht). Wie du sagst. Bei der einen oder anderen Sache konnte man den Eindruck gewinnen, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Nach diesen Erfahrungen mit Platten, mit Projekten und ganz verschiedenen Aktivitäten, hab ich mich vor Jahren für meine eigenen Projekte um starke Produktions- und Vertriebspartner bemüht, um alles richtig zu machen (lacht). Was gar nicht so einfach war, da es ja so viele renommierte Firmen gar nicht mehr gibt, und die Jungs, die dort entscheiden müssen, unter enormem Druck stehen, ja keinen Flop zu bauen. Dazu müssen sie den Spagat hinbekommen, Neues zu produzieren und trotzdem Qualität zu bieten. Einige mutige kleinere Firmen, mir fällt da spontan die 105 music ein, die zum Beispiel Stefan Gwildis produziert, trauen sich immer wieder, auf Qualität zu setzen und ein wenig gegen den Mainstream zu produzieren. Aber auch dort muss man zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Wenn dort ein ambitioniertes Projekt läuft, hat es ein zweites mitunter schon schwer. Nachdem, wie gesagt, einige Sachen nicht so gut liefen, hab ich mir gesagt: Dann mach doch dein eigenes Ding und gründe halt selbst ein Label. Was die Firmen können, kannst du in gewissem Umfang selbst. ...musst halt Zeit aufwenden um das, was du selbst eingespielt hast, zu vermarkten. Wie viel Zeit und Energie das kostet, hab ich allerdings besonders am Anfang etwas unterschätzt (lacht). Große Labels haben schon mal die Möglichkeit, etwas Neues an Topacts zu koppeln, haben alle denkbaren Verbindungen zu Medien und eben ein ordentliches Polster. Da kann man nur mit Engagement und Klasse gegenhalten, wobei das Ergebnis durchaus fraglich ist. Da hab ich schon Lehrgeld gezahlt. Dennoch kann ich jeder jungen Band nur empfehlen, soviel wie möglich selbst zu machen. Denn es ist unglaublich belastend, immer wieder Absagen von den großen Labels zu bekommen und kann auch richtig gute Sachen zum Scheitern bringen. Dabei gibt es gerade heute mehrere Möglichkeiten, Musik an den Mann zu bringen. Das reicht vom Eigenvertrieb bei Konzerten bis zum Internet, wo ich ja auch präsent bin. Zudem habe ich zeitweise noch mit einem Vertrieb zusammengearbeitet. Diesen eigenen Weg habe ich schon bei "Immer anders" beschritten, und setze ihn gerade erfolgreich mit "Mächtig verdächtig" fort. Allerdings ist es ohne erhebliche Medienpräsenz sehr schwer, Airplay zu bekommen. Aber auch das ist nicht mehr der einzige Gradmesser für Erfolg. Mir hat der Erfolg der ersten eigenen CD Mut gemacht, auch das zweite Album anzugehen. Zudem hat diese komplette Eigenverantwortung den Vorteil: Niemand macht etwas, was du selbst nicht machen würdest. Man ist also umfassend für das Ergebnis von der Musik bis zum Verkauf verantwortlich. Daher habe ich nach dem ersten Album meine Studiotechnik so verbessert, dass ich meine eigenen, gestiegenen Ansprüche umsetzen konnte. Eine Tatsache, die mir heute durchaus zu Gute kommt. "Mächtig verdächtig" wurde in einem großen, professionellen Studio nur noch gemastert. Alles andere ist bei KILLINGKILIAN RECORDS produziert, worauf ich ein wenig stolz bin. In diesem Sinne bin ich zur Zeit recht zufrieden, wie alles so läuft.

 

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Welche Pläne hast Du für die Zukunft? Was darf man als nächstes erwarten?
Zunächst bin ich erst mal sehr froh über das Album "Mächtig verdächtig", für das ich wirklich recht viel Zuspruch, vor allem auch auf der dazugehörigen Tour, erfahren habe. Und insofern hab ich auf das, was kommen wird, weniger Gedanken verwendet. Im Augenblick konzentriere ich mich vor allem auf die aktuelle Mike-Kilian-Tour, die ich ja nur mit meinem Gitarristen bestreite, und habe noch gar nicht so sehr über Kommendes im Sinne von weiteren oder ganz neuen Projekten nachgedacht. Es gibt ja neben Mike Kilian noch einige Sachen, die gemeinsam mit anderen Freunden und Kollegen immer mal wieder auf den Bühnen stattfinden, die aber zeitlich nicht so einfach planbar sind. Solche Dinge mache ich sehr gern. Doch gehören dazu immer die passenden Kollegen, die dazu dann auch noch Lust und Zeit haben müssen. Im Augenblick stehen für mich die "STAR FUCKERS", die Stonescoverband, mit der ich seit einigen Jahren recht erfolgreich unterwegs bin, und eben ganz besonders meine Solotour im Vordergrund. Natürlich freut mich der Zuspruch vieler Fans zu meinem Soloprogramm. Ich wurde vielfach angesprochen, ob es dieses Programm auf CD geben wird. Es ist ja gewissermaßen auch ein Querschnitt durch meine gesamte musikalische Entwicklung. Vieles davon gibt es zwar mit großer Band auf den verschiedenen Alben, aber eben rein akustisch nicht. Und so kommen durchaus auch Gedanken an weitere Produktionen. Augenzwinkernd hab ich mal so etwas wie eine limited Edition erwogen. Doch Konkretes gibt es da augenblicklich nicht zu berichten, zumal jede Produktion auch immer eine finanzielle Frage ist.

 

Gibt es musikalische Vorbilder? Wer hat Dich beeinflusst?
Ich mag außer Free Jazz jede Musik und höre mir die auch an. Was ich gerade höre, ist von Stimmungen und Situationen abhängig. Natürlich habe ich Sachen, die ich besonders mag. Das was mich am meisten beeinflusste ist aber schon der Rock'n Roll. Weniger der des Chuck Berry oder so. Mehr das, was viel später kam. Da gab es eine Band, die hieß Huey Lewis & the News. Die Leute habe ich schon bewundert. Natürlich auch die Wurzeln, aber nicht in dem Maße. Rock'n Roll nur mit Little Richard und Co. zu verbinden, ist ja auch nicht korrekt. Bands wie Queen oder Journey haben zudem ihre Spuren hinterlassen. Dazu hab ich, in dem Maß wie ich andere Projekte verfolgt habe, auch andere Quellen für mich entdeckt. Das geht für mich bis zu den Klassikern. Händel ist ja irgendwie auch ein Rock'n Roller in seiner Zeit.

 

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Wie ordnest Du Deine Soloprojekte musikalisch ein?
Wenn man I.L.D. sieht, dann ist die Platte immer noch ein Meilenstein für mich. Damals war es so, dass eine Platte geplant war und wir sehr wohl dachten, dass was wir zu sagen hätten, wichtig wäre. Aber dass die Platte DER Hammer würde, das war ja nicht planbar. Wir spielten wie es uns einkam. Mit Spaß und ein wenig ambitioniert, aber eigentlich nicht mit dem großen Konzept im Hinterkopf. Bei meiner ersten Soloplatte war das für mich etwas anders. Dergestalt, dass ich einfach anders als Rockhaus klingen wollte, was mir auch ganz passabel gelungen zu sein scheint. Einige sagen, die Platte wäre etwas ruhig für einen Mike Kilian. Es wird behauptet, sie läge ein wenig im Xavier-Naidoo-Trend. Ich kann dem soweit zustimmen, dass ich vor allem viele Frauen mit der Platte angesprochen habe und sie mir geholfen hat meine Medienpräsenz zu stärken, und einen eigenen Fankreis aufzubauen. Die beiden anderen Platten sind hingegen wieder Rock'n Roll. Das sehe ich durchaus als Entwicklung. Selbst wenn dort meine Wurzeln liegen und ich mich da am wohlsten fühle. Ich versuche den Rock wie auch meine Gefühle in meine Titel hineinzupacken, ohne andere musikalische Einflüsse, denen man ja zwangsläufig begegnet, zu ignorieren. Ich versuche, das was mir gefällt, miteinander zu verschmelzen, ohne eine gewisse Identität zu verlieren. Das, was man dann bekommt, ist zweifelsohne Mike Kilian und in gewisser Weise nicht der Ex-Frontmann von Rockhaus.

 

 

Gibt es unter den Solotiteln einen, den Du besonders hervorheben würdest?
Nein. Das kann ich so nicht sagen. Teilweise ist das von der eigenen Stimmung abhängig und dann hängen an den Titeln ja meist auch noch ein paar Erinnerungen, Geschichten und Begebenheiten. Dann stehen ruhige Titel wie "Macht der Gewohnheit" neben echten Rocksongs. Alles in Allem will ich die Titel auch nicht miteinander vergleichen, da ich zu jedem stehe. Mal erzählen sie von mir, mal sind es Themen zu denen ich unbedingt was sagen wollte, aber immer haben sie einen eigenen Charakter. Und zudem sprechen sie ja wieder ganz verschiedene Menschen ganz unterschiedlich an. Ich freue mich, dass die meisten der Titel wohl beim Publikum auch ganz gut ankamen und es immer noch tun. In meinen ersten Soloprogrammen spielte ich noch viel mehr Rockhaustitel. Die gibt es heute auch, aber das meiste ist von meinen drei Alben. Das letzte hat heute natürlich den größten Anteil an meinem Programm. Und selbst die ganz Großen der Zunft können sich bestimmten alten Sachen nicht verweigern. Sting muss sicherlich auch "Every Breath You Take" und andere Policetitel singen. Solange ein Künstler nicht auf einen Titel reduziert wird, ist das ja auch völlig in Ordnung. Um mal wieder bei mir zu bleiben, denke ich, ich bin es den Fans auch schuldig, die alten Titel zu bringen. Die Fans haben mich zu allen Zeiten getragen. Und für diese Zeit muss ich mich ja auch nicht schämen. Was die Rockhaustitel angeht, so sind es schließlich auch meine Titel. Schon von daher hab ich da keine Probleme, den einen oder anderen zu singen. Selbst wenn es die Sachen von "Bonbons und Schokolade" sind, für die irgendwie doch das Verfallsdatum da ist, weil sie eben vor 25 Jahren von Teenies für Teenies geschrieben wurden. Das ist 'ne Frage der Glaubwürdigkeit. Ich versuche, meine Konzerte so zu gestalten, dass der der kommt, am Ende glücklich nach Hause geht. Dazu gehört, dass man auf die Wünsche und Stimmungen des Publikums eingeht. Dass das Publikum Sänger und Gitarristen bekommt, die gut drauf sind und dass möglichst witzig und charmant durch das Programm geführt wird. Logischerweise auch die Songs, die es hören will, ohne dabei eine Nostalgiewelle auszulösen. Der Schwerpunkt bleibt beim Neuen. Wenn das Publikum dann noch am Ende an meinem Verkaufsstand die eine oder andere CD mitnimmt, habe ich vermutlich vieles davon erreicht. Was unsere Anfangszeit betrifft, sind wir sehr froh, dass Rockhaus das Boygroup Image sehr früh abgelegt hatte. Und dass wir immer recht viele Titel hatten, und nicht immer auf die gleichen festgelegt wurden. Die Alternative wäre schrecklich. Du musst bei diesem Image bleiben, wirst älter, älter und älter und musst trotzdem die Jung Kasperdinger von früher machen. Uns ist der Imagewechsel ungewollt mit der I.L.D. gelungen, glaube ich. Von daher kommen meist gar nicht mehr so viele Fragen nach den ganz alten Sachen und "Bonbons und Schokolade". Und dann ist es ja eigentlich gar nicht so wichtig was ich will. Wenn mir ein Titel zu den Ohren rauskommt, weil ich ihn tausende mal gesungen habe, will den vielleicht der Fan gerade hören, weil er ihn auch schon tausende male gehört hat, aber nur 10 mal von mir und sogar erst einmal live. Das kann man sich bei den großen alten Bands ja auch ansehen. Ob McCartney oder die Stones. Ob Sting oder wer auch immer. Die Fans hören sich die neuen Sachen brav an, wollen aber die bekannten Hits hören. Und sie bekommen sie und toben. Bei mir stellt sich die Frage so nicht wirklich. Die Fans erwarten eher Neues und nehmen die älteren Titel als Bonus zur Erinnerung an gemeinsame alte Zeiten und die Wurzeln der neuen Musik.

 

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Du sprachst davon, dass die Texte Geschichten erzählen. In wie weit sind das Geschichten, die von Mike Kilian erzählen?
Ich habe ja bereits bei Rockhaus begonnen, Texte zu schreiben. Anfangs hab ich noch gar nicht gewusst, dass ich das kann. Da gab's eine Texterin, neben der ich mich ausprobieren konnte. Viele singen fremde Texte, als wären es ihre eigenen. Ich konnte das ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch sehr schlecht. Irgendwann konnte ich mich mit den Texten, die sie schrieb, nicht mehr identifizieren. Die waren mir zu blumig und zum Teil gewunden. Damit hatte ich Probleme. So haben die Jungs beschlossen: Ok Mike, dann mach! Das bedeutete, dass ich Texte schreiben musste, in denen ich mich selbst ausdrücken konnte. Da lagen eigene Themen nahe, die ich auch aufgegriffen habe. Einiges ist so eigenen Erlebnissen, aber vieles auch meiner Gedankenwelt entsprungen. Ich hab mich damit wohler gefühlt, was auch der Band gut tat. Zum Beispiel bei "Mich zu lieben". Die Geschichte zur Zeile "Mit 12 hab ich im Stadtpark Bänke angesägt" ist so eine Mischung. Ich wohnte als Jugendlicher an einem Park in der Nähe eines Altersheims. Und in dem Park wurden von den "bösen Jungs" immer wieder die Bänke angesägt. Sie freuten sich, wenn die Alten durchbrachen oder drüber schimpften. Daran hab ich mich halt irgendwann erinnert, obwohl ich selbst nie dabei war. Und am Ende kommt im Lied auch was ganz anderes raus, aber die Geschichte hat einen realen Hintergrund. Die Geschichten in den Liedern lagen mir immer am Herzen. Irgendwie bin ich ein Geschichtenerzähler. Andererseits sind es eben Geschichten, die mich sehr bewegen, wie in "Mächtig verdächtig", wo es mir um diese leidigen Dinge wie Happy Didgets, Telefonterror, Chipkartenzeug und all den Kram geht, den man unternimmt, um den Menschen an sich und als Konsumobjekt zu überwachen. Oder das Singlethema, das mich nicht direkt betrifft, aber trotzdem jedem tagtäglich in der einen oder anderen Form entgegenspringt. Aus so etwas mach ich dann meine Geschichten. Ich muss nicht alles erlebt haben. Manchmal schreib ich auch einen Text, von dem ich denke, die Geschichte dazu könnte so gewesen sein. In einigen Texten lasse ich allerdings den Zuhörer sich auch selbst eine Geschichte ausdenken. Da gebe ich so zu sagen Stichworte, setze den Rahmen. Ich will dann auch nicht immer alles erklären, da das gelegentlich auch einiges kaputt machen kann. Jeder soll die Texte so nehmen, wie er sie interpretiert, wie er damit glücklich ist. Er soll sich seine Geschichte drum bauen. Das war bei Reini Petereit etwas anders. Er stellte meist das Thema, die Aussage in den Texten die er beigesteuert hat, in den Vordergrund. Er brauchte ein Thema, nicht so sehr die Geschichte drum herum und hat das dann sehr klar formuliert. Heute bin ich recht froh darüber, dass das damals so gekommen ist und ich da reingewachsen bin.

 

Hattet ihr Ärger mit Texten?
Eigentlich nicht. Jedenfalls nicht mehr als ihn jeder andere aushalten musste. Vielleicht hatten wir ja auch nur Glück, dass es gerade zum Ende der 80er ein paar Lockerungen gab. Komischerweise hatten wir kleine Probleme mit dem Titel "Party". Da hatte man Bedenken, ob es so eine Party und die beschriebenen Leute geben könnte. Und bei "100.000 Weiber" erkannte man sicher Frauenfeindlichkeit und sonstwas. Den Titel mussten wir umschreiben, der heiß dann "Armer Irrer".

 

Wie und wann begann Rockhaus? 1978 oder 1982. Welches ist das echte Gründungsjahr?
Ganz genau weiß ich das auch nicht, denn ich bin ja erst später zu Rockhaus gekommen. Es mag komisch klingen, so ganz genau weiß ich nicht mal mehr, wann das war. 81/82 stimmt schon, aber auf den Tag...? Mir ist, als wäre ich 81 dazu gekommen. Ich erinnere mich noch an Geschichten ganz vom Anfang, wie wir morgens mit 'nem LKW über Land zur Mugge auf alle möglichen Dörfer gefahren sind. War 'ne anstrengende aber schöne Zeit. Jedenfalls war es so, dass die Jungs vorher einen anderen Sänger hatten, der dann Knötchen auf den Stimmbändern bekam und nicht mehr singen konnte. Da haben sie sich nach 'nem neuen Sänger umgehört. Und der wurde ich.

 

Kanntest Du die Bandmitglieder?
Nö. Überhaupt nicht. Ich habe selbst ein bisschen Musik gemacht während der Lehre. Ich bin da immer nach Köpenick in so 'nen Klub gefahren, wo wir uns trafen. Und dort haben wir dann unsere Helden nachgespielt. Solche Sachen wie The Who und alles mögliche aus dieser Zeit. Es muss ziemlich punkig gewesen sein, aber wir fanden es cool. In dem Klub hatten wir einen Mentor und der kannte nun wieder Rockhaus. Er wusste, dass die 'nen Sänger suchen und erzählte denen: "...da probt immer 'ne Band, bei denen brüllt ein Sänger rum, den stell ich euch mal vor." So kam ich zu Rockhaus. Ich hab mir die Gruppe dann angesehen. Ich meine, die hatten gerade in Friedrichshain ein Konzert, da bin ich hin spaziert, hab mir das angehört und gedacht: Na ja, das ist gar nicht schlecht. Dann bin ich in deren Proberaum eingeladen worden. Ein ganz niedriger Raum, in dem ich kaum stehen konnte. Dort habe ich das erste Mal mit den Jungs was gemacht. Die haben irgendwas gespielt, einfach so rumimprovisiert und ich sollte dazu singen, was mir gerade einfällt. Das ging so, bis der Schlagzeuger irgendwie anfing zu lachen. Die anderen auch. Und ich dachte: Ok, das hat sich für dich erledigt. Aber das Lachen war kein Auslachen, sondern das OK-Zeichen. Tja und von da an war ich dabei.

 

Habt ihr nachgespielt oder hattet ihr bereits eigene Titel?
Wir haben anfangs viel nachgespielt. Fünf Stunden zum Tanz auf dem Dorf. Da konnte man gar nicht anders. Wir haben alles gespielt, von Rory Gallagher bis ...frag mich. In den Kneipen damals wollten die Jungs nicht unsere Mugge haben, sondern irgendwie irgendwas Nachgespieltes. Durch die harte Schule sind wir auch gegangen. Dazu kam, dass wir ja noch gearbeitet haben und die alten Lastwagen auch nicht die schnellsten waren. Drei Stunden hin, dann aufbauen, spielen, nachts wieder abbauen und am Morgen wieder zur Arbeit. Aus heutiger Sicht bin ich darüber gar nicht so böse. War 'ne harte aber gute Schule. Eigentlich kann da jeder Musiker mal durch (lacht), damit er sieht wie es ganz unten ist. Natürlich haben wir immer auch unsere Sachen gespielt. Aber anfangs waren das eben nur wenige Titel neben den nachgespielten Sachen.

 

Ihr habt noch voll gearbeitet? Wann wurdet ihr Berufsmusiker?
Ja. Anfangs haben wir alle in unseren verschiedenen Berufen gearbeitet. Ich war da als Verkäufer beschäftigt. Als es mit Rockhaus richtig losging, so mit richtig viel spielen, hatten wir dann alle Halbtagsjobs. Ich weiß noch, ich hab in 'ner Bibliothek ausgeholfen. Ein bisschen wie Hausmeister. Von Kohlen holen bis Bücher putzen. Und auch als es losging bekamen wir zunächst nur 'nen vorläufigen Berufsausweis. Zumal wir alle keine Musikschule hatten. Für den Berufsausweis musste man da aber eigentlich ein paar Jahre hin. Bei uns hat der Erfolg mit "Bonbons und Schokolade" das etwas verkürzt und fast ersetzt. Dann haben wir irgendwann auch nicht mehr gearbeitet, nur noch gespielt. Dafür mussten wir allerdings die Musikschule und allen möglichen Käse machen, um die Pappe zu bekommen. Das war ja so auch nicht schlecht, haben wir doch ein bisschen was gelernt, auch wenn die Ausbildung für die klassischen und Konzertmusiker wohl härter war. Ich hab dazu noch knapp vier Jahre eine Gesangsausbildung gemacht. Das war mir sehr wichtig, auch wenn ich mich heute wieder länger hinsetzen müsste, um die Fähigkeit, vom Blatt zu singen, wieder aufzufrischen. Übrigens war meine Gesangslehrerin eine nette ältere Dame, die auch Nina Hagen ausgebildet hat. Sie hat in mir ein wenig den Klassiker geweckt, zumal mir klar wurde, dass man sich zwar Gitarrensaiten im Laden kaufen kann, Stimmbänder gibt's da aber nicht so einfach. Für das alles bin ich sehr dankbar, denn man sieht, im Leben kommt mitunter doch mal einer vorbei, der Dir ein Notenblatt vor die Nase hält. Wenn man von mir nicht gleich verlangt, das sofort zu singen, sondern mir 'ne halbe Stunde Zeit gibt, bekomme ich das auch hin (lacht). Allerdings halte ich das auch nicht für den Stein der Weisen. Paul McCartney soll ja zum Beispiel keine Noten lesen können und hat doch geniale Musik gemacht. Jedenfalls wurde nach "Bonbons und Schokolade" und Musikschule aus unserer vorläufigen Pappe der Berufsausweis. Mir war das mit der Berufsmusik übrigens anfangs etwas suspekt. Ich hab gedacht: Oh Gott! Du sollst jetzt gar nicht mehr arbeiten und in Zukunft nur noch davon leben. Das war einfach nur neu. Da musste ich mich erst mal dran gewöhnen (lacht).

 

Seid ihr eigentlich alle Autodidakten?
Ja. Wir haben zwar zusammen diese Grundausbildung an der Musikschule gemacht, Heinz hat auch mal richtig Schlagzeugunterricht gehabt, aber angefangen haben wir autodidaktisch. Wir haben, wie viele andere auch, versucht, das was uns besonders gefallen hat, nachzumachen und so zu lernen. Auch von anderen Musikern hat man sich immer wieder was abgekuckt.

 

Woher kam die Kraft, gegen diesen Trott mit modernen, frechen, deutschen Titeln anzuspielen? Wann änderte sich das Verhältnis zwischen nachgespielten und eigenen Titeln?
Die Antwort liegt ja gewissermaßen schon in Deiner Frage. Wir wollten nicht nur nachspielen und hatten den Ehrgeiz, unsere eigenen Sachen zu machen. Anfangs haben wir die den Leuten so im Programm untergejubelt und geschaut, wie sie ankommen. Was gut ankam, wurde behalten und ausgebaut. So erspielten wir uns ein eigenes neues und zumeist junges Publikum. Das war auf den Dörfern in der Kneipe oft schwerer als in den großen Kulturhäusern der Städte, wo zudem meist auch mehr Leute waren. Dann war da der Zufall mit dem Puhdyskonzert, wo wir als Vorband spielten und fast ausschließlich unsere eigenen, deutschen Sachen gemacht haben. Das ging, weil das Publikum eh auf die Puhdys mit ihren Liedern wartete. Wir hatten damals schon ziemlich viel eigenes Material und haben uns gesagt, das ziehen wir jetzt einfach durch. Wir machen drei, vier nachgespielte Stücke, der Rest ist unseres und dann kucken wir mal... Da hatten wir schon Ehrgeiz und es hat ja zum Glück auch funktioniert.

 

Du sprachst von einem Mentor. Ich hab gelesen, dass Gunter Wosylus nicht ganz unwichtig für den Start von Rockhaus war. War er der Mentor?
Nein. Der den Kontakt herstellte war Peter Papst. Wosylus hat sich später eingeschaltet. Er stand plötzlich in unserem Probenraum. Ich weiß gar nicht mehr, wie der Kontakt entstanden war. Jedenfalls stand er eines Tages da. Ich war zu spät zur Probe gekommen und hatte den ersten Besuch dadurch verpasst. Jedenfalls sagten mir die Jungs, Wosylus war gerade da, hat uns eine Nummer vorgespielt und gefragt, ob wir die machen wollen. Es war übrigens das Grundgerüst zu "Bonbons und Schokolade", aus dem wir dann einen richtigen Song gemacht haben und zu dem ich mir den Text ausdachte. Das war der erste Kontakt. Er hat uns wirklich geholfen. Er hatte bei sich so 'nen ausgebauten Raum, da hat er uns mal auftreten lassen und das alles aufgezeichnet. Es war recht interessant, sich selber zu sehen und zu hören. Dazu gab er uns ein paar Tipps. Zum Beispiel riet er uns, wir sollten uns überlegen, was wir so als Ansagen machen wollen. Ich dachte damals: Was will der Alte denn? Aber das hatte schon alles Hand und Fuß, was er uns so empfohlen hat. Das war wie 'ne kleine, angenehme Schule für uns. Auch die Studioarbeit... Das waren ja unsere erste Erfahrungen damit. Dann hat er uns auch sehr geholfen, indem er organisierte, dass wir zusammen zur Armee kamen. Ich hab keine Ahnung, was er da gemacht hat. Ich will's eigentlich auch gar nicht wissen. Die ersten beiden hatten damals bereits ihren Einberufungsbefehl. Ohne ihn wäre die Band vielleicht vier oder fünf Jahre auseinandergerissen worden. Das wäre wohl das Ende gewesen. Wosylus sagte dann eines Tages: "Jungs, von der Armee kann ich euch nicht befreien, aber ich hab wenigstens dafür sorgen können, dass ihr zusammen gezogen werdet". Ob es Zufall war, dass wir auch noch auf der selben Bude mit sieben anderen Leuten (lacht) landeten, weiß ich auch nicht. Aber das war schon ganz angenehm.

 

Wart ihr so zu sagen Musiksoldaten?
Nee. Wir hatten keine Vergünstigungen. Wir haben richtig alles mitgemacht. Und wir sind darauf auch ein bisschen stolz. Ich fand's gut, dass die Leute sehen, dass wir mit raus gehen. So richtig mit Gasmaske auf, die krauchen auch durch den Dreck. Selbst in der gleichen Einheit haben welche gedacht, wir liegen den ganzen Tag im Zimmer und uns fliegen die gebratenen Tauben zu. Wir müssten nur ab und zu ein paar Lieder spielen oder so und könnten ständig raus zu Konzerten und Auftritten. So haben sie gesehen: Kiek ma, die müssen auch mit raus. Ich hätte mir das am liebsten ganz geklemmt. Ich halt von dem Armeezeug nichts. Aber da half ja nix. Da musste man durch. Und zwar 1 ½ verschenkte Jahre.

 

Seit ihr während der Armeezeit aufgetreten?
Nee. Einmal hat man uns noch zu einer großen Veranstaltung gelassen. Danach waren wir über ein Jahr nicht mehr auf der Bühne. Nur noch als Chor. Da gehörte noch Frank Gahler von NO 55 dazu, der auch auf unserem Zimmer war. Nach einem halben Jahr haben wir uns überlegt, wir machen einen Chor auf, weil der Regimentsoberste erzählt hat, dass es da mal Tradition war und er das gut fände, wenn es das wieder geben würde. Um es kurz zu machen, wir witterten da wirklich die Chance, nicht mehr raus zu müssen, sondern jetzt schön den ganzen Tag mit den Jungs üben zu können oder so. Da haben wir fleißig geworben. Habt Ihr nicht Lust... da kann man vielleicht auch mal raus und draußen auftreten... Die haben uns alle einen Vogel gezeigt. Bist du blöde? Ich sing doch hier nicht... die ganzen Kampflieder und so... Aber am Ende hatten wir in so 'ner großen Einheit 40 oder 50 Leute zusammen und hatten dann ein paar... - Songs ich hätte fast gesagt - solche Kampfesdinger da drauf. Dann kam der große Tag, da wurden wir schön mit 'nem Bus irgendwohin an die Küste gefahren, wo wir öffentlich singen sollten. Haben wir auch artig gemacht. Und nachdem öffentlich vorbei war, hieß es Freibier bis zum abwinken, wie es bei solchen gesellschaftlichen Anlässen schon mal üblich war. So sind wir am Abend tuten-zu wieder in die Kaserne gekommen. Am nächsten Tag hätten wir 'nen Chor mit 300 Mann aufmachen können (lacht). Hatten wir am Ende auch. Nicht 300 aber so knapp 100 waren es dann doch. Die, die nicht singen konnten, haben wir nach hinten gestellt, die haben den Fisch gemacht. Schön brav den Mund auf und zu, nur so tun als ob. So waren dann alle zufrieden und es hat auch niemandem mehr was ausgemacht, die blöden Lieder zu singen, weil sie merkten, dass man sich da auch mal verpfeifen kann oder zu großen Anlässen auch mal raus kam. Das war aber singender Armeechor nicht Rockhaus.


Nach eurer Armeezeit startetet ihr sofort wieder durch. Habt ihr neben dem Chor als Gruppe proben können? Wie habt ihr euch in Form gehalten?

Im letzten halben Jahr ging da schon ein bisschen was. Auf dem Gelände gab es ein Kulturhaus oder so was, da durften wir ab und an schon mal nachmittags proben und haben das auch genutzt, um bereits an der "I.L.D." zu arbeiten. Da sind an 'nem altem Klavier sogar ein paar Titel entstanden. Dann haben wir schon Pläne geschmiedet, was wir machen wollen und wie es weiter gehen soll. Auf jeden Fall waren wir uns einig, dass wir sobald wir aus dem Verein raus waren, wieder auf die Bühne und spielen wollten. Damit war eine neue Tour und im Grunde sogar die "I.L.D." bereits in unseren Köpfen.

 

Ich hab gelesen, wenn Ihr richtig gut drauf wart, habt ihr auch schon mal ein echtes Straßenkonzert gegeben. Gab so etwas nicht mächtig Ärger?
Nee, das ist eine Ente. An so etwas kann ich mich nicht erinnern. Eine ganz lockere ungeplante Mugge gab es auf unsere Westtour 88/89, als wir in der Nähe von Saarbrücken spielten. Da waren wir zwei Tage vor dem eigentlichen Konzert da. In dem Hotel, in dem wir wohnten, war 'ne Kneipe mit 'nem Klavier. Da haben wir einfach so losgespielt. Wir haben so zu sagen ein free Konzert gegeben mit eigenen Sachen und bunt nachgespielten, die uns gerade einfielen. Aber auf der Straße war das nicht (lacht).

 

Auch wenn das nicht stimmt, war Rockhaus doch immer eine auffallende Band. Ob wegen der jugendlich-frischen Texte, des Outfits (Mike lacht) oder der flotten Sprüche - Rockhaus setzte neue Maßstäbe. Ihr wolltet die Puhdys vom Olymp stoßen (Mike lacht) und habt gesagt: "Wir wollten nie Kunst machen". Waren die Aussagen situativ oder euer echter Anspruch?
Vieles entsprang schon unserem jugendlichen Ungestüm (lacht). Wie wir zumindest anfangs rotzig drauf waren, so waren auch unsere Ansagen nach außen. Aber dieser Puhdysspruch der uns da zugeschrieben wird, ist ja in einem ganz anderen Zusammenhang entstanden und eigentlich gar nicht von uns. Vielmehr ist dafür Alex Lehmberg verantwortlich, der früher bei Rund oder so war und heute Redakteur beim MDR Fernsehen ist. Der drehte mit uns ein Video für so etwas wie eine Rockhausdokumentation. Dabei sollte jeder irgendwas erzählen. Ich weiss noch, Heinz war dran und eierte so rum - ich weiß nicht was soll ich denn erzählen, ich weiss gar nichts... Da sagte Alex: Dann sag doch einfach, dass ihr die Puhdys ablösen wollt! - wir haben uns totgelacht. Genau! Das ist genau der Satz! Da hat Heinz sich hingestellt und den Satz gesagt. Bierernst! Dass der die Auswirkungen hat, dass uns manche nur wegen dieses Satzes kennen, das ist schon gigantisch, aber eigentlich ungeplant und der pure Zufall (lacht). Heute wäre das ein echter PR Knüller. Und er hat über die Jahre überlebt. Eigentlich sogar Rockhaus (lacht).

 

Musstet ihr Euch dafür später verteidigen oder rechtfertigen oder so etwas?
Nö! Viele haben uns zwar 'nen Vogel gezeigt. Der hat ja extrem provoziert der Spruch, was uns zunächst gar nicht so bewusst war. Er war ja nicht beleidigend und von daher kam da nichts. Der gemeine Puhdysfan wird möglicherweise zusammengebrochen sein wegen Majestätsbeleidigung oder ähnlichem. Allerdings hatten wir ja den Schalk im Blick und ein Schmunzeln auf den Lippen als wir den Spruch geprägt haben. (lacht herzlich) Und die Geschichte hat uns ja auch bewiesen, dass die Jungs nun schon viel länger machen als wir (lacht während er diesen Satz sagt).

 

Rockhaus ist ja auch noch nicht am Ende, oder? Allerdings... Euer Verhältnis zu den Puhdys würde mich doch interessieren. Wosylus, der Spruch, Vorgruppe der Puhdys und dann Heinz als Schlagzeuger bei einem Puhdysprojekt. Gibt es da Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte?
Eigentlich nicht. Man hat sich mal so getroffen und ein paar Worte gewechselt, wenn wir gemeinsam irgendwann unterwegs waren oder zufällig irgendwo zusammen gespielt haben. Aber ernstere Dinge gab's da nicht. Anders als mit Karat. Da waren wir mal 'ne Zeit lang mit Bernd Römer ein bisschen befreundet. Das entstand so während unserer Gitarreros-Phase. Die engste Beziehung zu den Puhdys hatte wohl Heinz. Er hatte erst seinen Spruch, dann hat er zu dieser Drumsession mit den Puhdys getrommelt, aber mehr auch nicht. Das war aber nicht als Wiedergutmachung gedacht (lacht). Zu den Puhdys hatten wir ein völlig normales Verhältnis, wie zu vielen anderen Musikern. Nichts Spektakuläres.

 

Du sprachst die Gitarreros an. Da hab ich zwei Fragen: Ich hab irgendwo gelesen, Reini hätte da Keyboards gespielt. Warum denn das? Wo er doch so ein begnadeter Gitarrist ist. Und die zweite Frage: Wer hat "Endlos" ausgesucht, der als Rockhaustitel gespielt wurde?
Also das mit Reini stimmt definitiv nicht. Ich denke, er kann gar nicht Keyboard spielen (lacht). Er war bei der 87er Tour dabei, als Rockhaus so zu sagen die Vorband für die Show war. In der eigentlichen Band spielten Ed Swillms Keyboards und Römer, Ehle, Hassbecker und Piatkowski Gitarre. Reini hatte jeden Abend, nach dem Rockhaus ihren Part gespielt hatten, mit den anderen Jungs Feierabend (lacht). Was die Titelauswahl angeht, da war Tamara zumindest maßgeblich beteiligt. Sie mochte das Lied "Endlos" sehr. Wir haben den Titel einfach so in den Raum geworfen, worauf Schweigen und einstimmiges Kopfnicken folgte. Damit war er durch. Aber das ist alles gar nicht so wichtig gewesen. Eigentlich ging es im Wesentlichen um den Spaß, den wir bei der Sache und zwar miteinander hatten.

 

Durfte Rockhaus eigentlich reisen? Hattet Ihr Auslandstourneen?
In den Westen durften wir erst ganz zum Schluss. Aber vorher waren wir zweimal in Russland. Einmal Trasse und einmal in der Weite. Dazu kam eine Ungarntour.

 

Kannte man Euch im Westen vor der Tour durch die Republik?
Nicht wirklich. Die Teldec promotete zwar die Tour und ließ den aktuellen Titel im Radio laufen. Aber bekannt im Ostsinn waren wir nicht. Um so spannender war dann die Tour. Immer mit der Frage im Hinterkopf: Erreichen wir das Publikum? Wir waren in den großen Städten des Westens unterwegs. Die Tour war auch richtig gut besucht. Viele wollten vielleicht auch nur mal kucken, ob wir denn auch aussehen wie Menschen. Wir waren ja die Exoten. Was ganz toll war, waren die Reaktionen. Man kannte vorher die üblichen Verdächtigen und war um so erstaunter, dass wir Rockmusik machten wie die Großen. Wir bekamen schon mal gesagt: "Ist ja stark. Ihr seid ja eine Westband."

 

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Mit Rockhaus sind sechs LP's erschienen. Dazu kommen drei Soloalben. Wie würdest Du dieses doch recht umfangreiche Werk im Einzelnen beschreiben? Was macht einzelne Alben speziell?
Ich würde zunächst mal keinen einzelnen Titel herausheben, auch wenn es bekanntere und weniger bekannte gibt. Ansonsten zeigen die einzelnen Alben Etappen in meiner Entwicklung. Zunächst sind es die Etappen mit Rockhaus, von der jungen, unbekümmert-wilden New Wave Band zu einer gereiften Rockband mit Anspruch. Natürlich ist auch für mich die "I.L.D." ein Meilenstein. Aber auch die weniger beachtete letzte Rockhaus LP "Wunderbar" hat sehr schöne Momente. Unser Erstling "Bonbons und Schokolade" war etwas ganz anderes. Die LP war zu ihrer Zeit etwas ganz Neues, hat geholfen, alte Bahnen aufzubrechen. Wir hatten zwar nicht diese Absicht... Wir waren Teenies, Derwischs und wild, wollten moderne Musik machen, aber uns wurde mit der LP die Wirkung zugeschrieben. Trotzdem die LP sicher nicht perfekt war und sie vielleicht auch nur von ganz jungen Leuten gemacht werden konnte. Sie hat ihre Berechtigung und ist für sich auch irgendwie ein Highlight. Bei meinen Soloalben kann ich so eine Wertung noch gar nicht vornehmen. Ich finde viele Sachen von allen Platten sehr schön. Natürlich mag ich die letzte LP ganz besonders, denn das sind die Geschichten, die es mir wert waren, sie zu erzählen.

 

Zeitlich haben wir fast 2 LP's unterschlagen. Da möchte ich noch einmal nachfragen. Die LP "Bonbons und Schokolade" schlug ein wie eine Bombe. Wo siehst Du die Gründe?
Ein Grund war wohl, dass es so etwas wie Rockhaus in der DDR vorher nicht gab, was uns allerdings zu dem Zeitpunkt nicht klar war. Ich denke, wir waren so eine Art neue Musikergeneration. Es gab dann auch noch ein paar andere Bands, die neu herauskamen. Angefangen von den Texten, vorher waren die ja schon mal sehr bildlich oder bombastisch, ich denke an den Schwan und derartiges, manchmal sogar merkwürdig verdreht, veränderte sich vieles. Plötzlich war Straßensprache angesagt und das Aussehen war ganz anders. Man hat sich die langen Haare mit Zuckerwasser hochgemacht und die Klamotten wurden bunter. Für uns war das völlig normal. Und da waren wir als Rockhaus zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Sache am richtigen Fleck. Und dann noch die Platte an sich (lacht), wo viele geglaubt haben, sie hätten eine Platte aus dem Westen gekauft, weil die so schön bunt war. Zudem waren da ja bereits drei richtige Hits drauf mit "Bonbons und Schokolade", "Ferien mit Helene" und "Disko in der U-Bahn". Das war für die Leute, die wir angesprochen haben, sicher auch ein Generationswechsel. Da kam was Neues, was Frisches. So'n bisschen wie Police, wo man damals ja auch mit offenem Mund staunte: Wie können drei Leute so 'ne Musik machen? Die Mischung aus Reggae, Rock und allem möglichem... So gab es bei uns auch vieles, was man so hier noch nicht gemacht hatte.

 

Stimmt es, dass die "Bonbons und Schokolade" von AMIGA eigentlich nur als Kleeblatt geplant war?
Dass die "Bonbons und Schokolade" so schnell kam, ist auch eine ganz eigene Sache. Wir hatten vor der LP ja nur Rundfunkproduktionen gemacht, aber bereits eine erste Single "Die neue Lehrerin". Dann spielten wir in Suhl als Vorband der Puhdys. Im Saal saßen auch die Herren von AMIGA. Wir wussten das nicht und haben rotzfrech drauf losgespielt und auch ordentlich abgeräumt. Ein paar Tage später kam dann ein Anruf von Volkmar Andrä, der uns anbot: "Jungs, das da in Suhl hat uns gut gefallen. Habt ihr mehr als die paar Songs, die ihr in Suhl gespielt habt? Habt ihr Material für eine Platte zusammen? Wir hätten Interesse." 'Ne Woche später waren wir da bei den Jungs und der Rest ist ja Geschichte (lacht). Insofern hatten wir wohl Glück, direkt mit einer LP zu starten (lacht). Ich glaube nicht, dass wir nach der Single vor einer LP irgendwann noch eine Quartettaufnahme bekommen hätten. Sowas war auch kein Thema in der Band.

 

Wenn meine Informationen stimmen, hatte Jürgen Ehle mit der Platte zu tun.
Nein, das ist nicht richtig. Jürgen Ehle kam erst bei der "I.L.D." zur Band. Dort hat er vier Songs mit produziert. Wenn ich mich jetzt richtig entsinne, waren das "Bleib cool", "Gefühle", "Träume, Träume" und das vierte weiß ich gerade nicht (lacht).

 

Ein anderer Name, der im Zusammenhang mit Rockhaus fällt, ist Lusie Mirsch.
Genau! Ihr haben wir auch eine Menge zu verdanken. Mit ihr haben wir unsere gesamte Rundfunkzeit verbracht und sie hat ein bisschen auf uns aufgepasst. Gerade in unserer ganz wilden Zeit (lacht). Wie sie auf uns wirklich aufmerksam wurde, müsste man sie selbst fragen. Ich weiß auch nicht ganz genau, wie das alles begann. Sie war so eine Art Talentescout und stand halt eines Tages bei uns im Probenraum und schleifte uns von da zum Rundfunk zu ersten Aufnahmen. Ob man sie auf uns aufmerksam machte, oder sie uns von sich aus ansprach, das weiß ich wie gesagt nicht mehr. Auf jeden Fall ist was Ordentliches draus geworden. Sie hat zum Beispiel doll für uns gekämpft, als "Gefühle" auf einer Quartett-Single rauskam. Das wollte der Rundfunk nicht spielen, weil man den bösen Geist oder so was witterte.

 

Bevor ihr zur Fahne gingt, machtet ihr noch eure zweite Platte "Alles klar". War die, wenn man das heute betrachtet, etwas überstürzt?
Wir hätten uns vielleicht ein bisschen Zeit lassen sollen. Die kam vielleicht etwas schnell. Zumal die Musikstile damals gerade etwas durcheinanderflogen. Auch in der Band. Unser Basser stand plötzlich auf Catch a GoGo, dann auf Flatbass. Wir waren ein bisschen policeverliebt. Und alles ist da rein geflossen. Dadurch war die Platte nicht richtig rund. Aber es gibt auch da ein paar sehr schöne Titel. "Partys" und "Endlos" finde ich heute noch toll. Aber einige sind da drauf, da weiß ich nicht, welcher Teufel uns geritten hat... Insofern war sie sehr wohl etwas zu schnell. Aber durch die Armeezeit, als wir ja 'ne ganze Weile fast ganz verschwunden waren, und dann die Vorbereitung zur "I.L.D." war sie praktisch abgehakt (lacht).

 

Die "I.L.D." hat eine besondere Stellung nicht nur in Eurer Bandgeschichte. Wenn ich sie als zeitlosen Meilenstein der DDR Musikgeschichte bezeichne...
...dann würde ich sie zumindest als unser Highlight bezeichnen. Ich freu mich natürlich, dass sie die DDR doch deutlich überlebt hat und zur Riege der großen Ostplatten gerechnet wird. Das macht mich schon ein wenig stolz.

 

Nach dem NewWave Erfolg von "Bonbons und Schokolade" jetzt eine sinnschwere Platte wie "I.L.D.": Warum der Wandel?
Die "I.L.D." ist gewissermaßen Ausdruck unserer Gedankenwelt zur damaligen Zeit. Über den Erfolg des Albums haben wir gar nicht nachgedacht. Wie ich schon andeutete: Man kann so etwas nicht planen. Das die "I.L.D." nicht wie "Bonbons und Schokolade" klingt, hat sicher auch mit unserer Entwicklung in der Zeit während der Alben zu tun. Vielleicht war es auch ein Glück, dass wir uns nach der "Alles klar" fragten, wie geht das künstlerisch mit Rockhaus weiter. Die "I.L.D." ist erwachsener als die "Bonbons und Schokolade", auch erwachsener als "Alles klar". Irgendwie, sag ich mir manchmal, ist die Platte ein kleiner Geniestreich. Mit der Platte dokumentierte sich teilweise auch unsere persönliche wie musikalische Entwicklung, die zum rechten Zeitpunkt eingesetzt hat. Und dann hatten wir ja auch ein paar neue Einflüsse durch neue Bandmitglieder. Wir wollten einfach keine neue "Bonbons und Schokolade", sondern stilistisch etwas ganz anderes machen.

 

Du sollst den Weggang von Ingo Griese sehr bedauert haben.
Ja. Musikalisch auf jeden Fall. Denn, das war die Stärke von Rockhaus, wir konnten improvisieren. Wir haben die Ideen der anderen aufnehmen und entwickeln können. Nicht selten kamen dabei die besten Sachen zustande. Ingo war sehr begabt, vielleicht sogar ein Ausnahmetalent. Das habe ich sehr bedauert, dass er dann weg war. Ich hab gedacht, so einen kriegen wir nie wieder. Ich freu mich, dass er heute noch Musik macht. Er ist jetzt wohl seit einiger Zeit bei Ulla Meinecke, mein ich. Auch für Rockhaus ist das ja am Ende gut ausgegangen. Wir hatten uns ja dann entschlossen, noch einen Keyboarder in die Band zu holen. Wer weiß, ob wir den mit Ingo geholt hätten. Irgendwie hat Ingo Rockhaus nicht mehr gereicht. Er musste was anderes machen. Erst dachte er, er wird bei Pankow glücklich, was ja nicht klappte. Dann ist er 'ne Weile nach Amiland gegangen. Warum, wie und was, das mögen seine stillen Gründe bleiben. Das war übrigens ein bisschen die Kehrseite der Gitarreros. Wenn man mal kuckt, was danach los war... ich dachte damals noch blauäugig, wir sind ja alles Freunde. Alles Friede, Freude, Eierkuchen. Das klappte, solange die Tour dauerte. Dann begann das große Wechseln. Da sind einige Leute von Bands weggegangen und das hinterließ ein bisschen verbrannte Erde.

 

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Welchen Einfluss hatten Mohren und Repke auf "I.L.D."?
Also, Beathovens Einfluss ist ja direkt zu hören. Mit seinen Keybords klang Rockhaus deutlich anders als in der Besetzung mit Ingo Giese. Und Maxe liebte die 1/8 Noten. Maxe war kein Hacker, der im Stil pickedie, pickedie, pickedie mit seinem Bassspiel alles kaputt gehackt hätte. Er brachte eher Ruhe in Band. Bei Ingo waren da viel mehr Freiheiten, schon weil es nur Bass und Gitarre gab, wodurch Ingo am Bass auch viel mehr machen musste. Maxe passte musikalisch richtig gut auch zu Beathoven und trieb mit Heinz die Maschine richtig an. Zudem passte er mit seiner Ruhe menschlich gut in die Band.

 

Repke wird von anderen Kollegen als sehr guter, konzeptionell klarer aber recht strenger Chef und Regisseur geschildert. Hatte er bei euch eine ähnliche Rolle?
Nein. Vielleicht war er deshalb auch immer etwas unzufrieden bei Rockhaus. Ich kann mir schon vorstellen, dass Maxe ganz genaue Vorstellungen hat, von dem, was er machen möchte, wie etwas umzusetzen ist. Obwohl ich Maxe als Regietypen nicht kenne, ist es vielleicht etwas mit meinem Wagnerama zu vergleichen. Ob sich diese Qualitäten erst entwickelten, oder ob wir als sehr starke Typen das in der Band gar nicht zu gelassen haben, will ich gar nicht bewerten. Bei seinen Projekten musste er jedenfalls wohl der Regietyp sein. Und... Im Nachgang kann man sich höchstens fragen: Wer weiss? Vielleicht hätte er das bei uns auch mal etwas mehr ausspielen sollen... Wer weiss, was das gebracht hätte?

 

"I.L.D." wurde im Studio von Stern Meißen eingespielt. Hat das eine besondere Bewandtnis?
Wie das ganz genau zu Stande kam, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass wir die Platte nicht im Brunnenstraßenstudio von Amiga einspielen wollten. Irgendwie kam dann der Kontakt zu den Sternen zu Stande, von denen Martin Schreier ja ein Studio hatte. Und das wurde uns für unsere Platte angeboten. Die haben wir ja auch allein, ohne Volkmar Andrä, mit dem wir zuvor gearbeitet haben, produziert. Außer dass wir das Studio nutzten, gab es aber keine weiteren Kontakte zu Stern Meißen.

 

Stimmt es, dass die "I.L.D." bei Amiga nur in einer Auflage von 27000 aufgelegt wurde?
Schon möglich. Genaue Zahlen hab ich zwar nicht, aber das kann schon passen. Unsere erfolgreichste LP war die "Bonbons und Schokolade". Vielleicht gerade, weil sie etwas Neues darstellte und wir nicht wesentlich älter als unser Publikum waren. Dann kam schon die "I.L.D." und schließlich die "Gnadenlose Träume", die 1990 zunächst nur im Westen rauskam, da die Pappnasen zur Wendezeit hier die Auflage in der DDR verschlampt haben. Als LP ist sie dann ja erst 1996 aufgelegt worden. Insgesamt hat Rockhaus wohl so um 100.000 LP's verkauft. Da kann die Zahl der AMIGA-Auflage der "I.L.D." schon stimmen. Die war zwar rasend schnell vergriffen, wurde aber damals nicht neu aufgelegt. Da gab es immer Gründe, warum es gerade nicht ging. Die LP wurde vor ein paar Jahren noch einmal als CD aufgelegt. Die genauen Zahlen der Rockhausauflagen kenne ich gar nicht.

 

Wie erlebte Rockhaus die Wendezeit, in die ja das gerade erwähnte Album "Gnadenlose Träume" fiel ?
Die "Gnadenlose Träume" kam raus, allerdings von der Teldec zuerst nur im Westen veröffentlicht. Wir haben auch noch getourt mit dem Album. Viele haben sich die Platte von ihrem ersten Westgeld gekauft. Das war wahrscheinlich das Pech, wenn man es so nennen will, für die "Gnadenlose Träume", dass alles im Umbruch war und sie dadurch erst mal nicht im Osten rauskam. Wir konnten da leider nichts machen und als uns die Teldec dann auch noch den Vertrag gekündigt hat (die haben ihren Laden aufgeräumt und in East West umbenannt), haben wir den "ROCKHAUS"-Laden dicht gemacht, weil man gemerkt hat, dass im Osten alles zusammenbrach und im Neuaufschwung war. Die Leute wollten erst mal den Westen erschnuppern und da haben wir beschlossen eine Pause einzulegen und jeder hat sich um seine eigenen Projekte gekümmert.

 

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Wäre es nicht besser gewesen, doch zu spielen? Die "I.L.D." war noch im Ohr. Neues Material war da. Mit "Tanzen auf der Mauer" gab es sogar den obligatorischen Wendetitel. Ihr bekamt als erste Band einen echten Westdeal, einen Vertrag mit Teldec. Was bewegte euch, anders zu entscheiden?
Stimmt alles was Du sagst. Aber dass unmittelbar nach der Wende im Osten nichts ging und wir im Westen nicht so bekannt waren, ist auch wahr. Das "Tanzen auf der Mauer" lief zwar ganz gut, aber wir mochten den Titel nicht wirklich. Der war Resultat einer kleinen Erpressung der Teldec. Wir wollten nicht das machen, was alle machen. Der Wendesong war ein bisschen wie "Rock für den Frieden" im Osten. Da musste auch jeder ein Friedenslied machen. Jetzt brauchte jeder 'nen Wendesong. Das hat uns nicht gefallen. Unser nächstes Problem wurden die Umstrukturierungen innerhalb von Teldec. Da machte die Mutterfirma plötzlich verschiedene Schubfächer recht resolut sauber und wir standen ganz plötzlich ohne Vertrag da. 1990 war das alles noch ganz anders. Da hing im ersten Stock bei Teldec in Hamburg ein riesengroßes Bild von uns. Wir dachten schon: Boah - wie große Westacts . Aber das hat sich eben schnell gegeben. Als von denen eines der ganz großen Zugpferde wegging, ich glaube Maffay oder so, stellten die die ganze Firma auf den Kopf und richteten alles neu aus. Wir arbeiteten zu der Zeit ja neben den verschiedenen Seitenprojekten an einem neuen Rockhausalbum, weil ein Plattenvertrag eigentlich bedeutete, mindestens zwei Platten machen zu können. Durch die Umstrukturierung galt das nun nicht mehr. Das kostete Zeit, Nerven und Geld. Vielleicht haben wir da auch zu wenig gekämpft, aber es war halt so und hat letztlich uns so zu sagen tatsächlich die Beine gebrochen. Die Stimmung in der Band war damals nicht so wie in den Jahren zuvor. Irgendwie war das nicht mehr die Band, die wir immer waren. Jeder machte, wie gesagt, bereits eigene Sachen und so war das Ende eigentlich eine logische Konsequenz. Und es blieb uns nichts übrig, als die "Wunderbar" 1995 in Eigenregie herauszubringen, da sich auch kein geeignetes Label fand. Der Rest ist bekannt. Wir haben uns getrennt. Es war ein bisschen wie eine Ehe, die nicht mehr funktionierte. Da war die Frage: Scheiden oder bis ans Ende der Tage erdulden? Dass das Auseinanderfallen der Band mit meinem Engagement bei Wagnerama zusammenfiel, interpretierten einige so, dass mich das große Geld und die große weite Welt lockte, wofür ich Rockhaus geopfert hätte. Dafür hab ich mich nie verteidigt, weil ich meine, dass da jede Verteidigung wie ein Schuldeingetändnis gewirkt hätte. Schuld war aber niemand. Wir hatten uns, wie gesagt, vorwiegend künstlerisch und musikalisch auseinandergelebt. Glücklicherweise hatten die Bandmitglieder eigene Projekte, was die Auflösung von Rockhaus beschleunigte. Dass die Trennung 10 Jahre dauern würde hat niemand erwartet, zumal wir uns in der Zeit voneinander musikalisch und künstlerisch so weit entfernt haben, dass wir heute nur schwerlich als Tourband zurückkommen würden. Dafür können wir uns menschlich seit längerem wieder sehr gut in die Augen schauen, haben wieder Spaß am gemeinsamen Spielen. Wir wollen zwar nicht mehr miteinander kämpfen und neue Platten als Rockhaus machen, aber zu unserem Vergnügen machen wir alle Jubeljahre wieder eine kleine Rockhaustour.

 

Wie fest steht der Entschluss keine neue Platte zu machen? Kein Studioalbum oder ähnliches?
Nun ja, wir haben zugegeben schon mal überlegt, ob wir zu gegebenem Anlass nicht doch vielleicht einen oder zwei neue Titel machen sollten. Und man soll ja nie nie sagen. Doch geplant ist derzeit nichts Konkretes.

 

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Im Augenblick gibt es Probleme mit der DVD zur letzten Tour. Woran liegt's?
Stimmt. Wir hatten die angekündigt und haben jetzt das Problem, dass das Filmmaterial sehr schlecht ist. Wir haben viel gedreht, besser drehen lassen. Allerdings mit einfachen Kameras. Jetzt haben wir das Problem, dass gerade der Sound sehr schlecht ist. Selbst die Bilder sind nicht top, zumal sie immer aus der gleichen Perspektive gemacht wurden. Weil es nur eine Kamera gab, kann man schlecht perspektivisch schneiden. Wir haben schon überlegt, ob wir anstatt eines Konzertmitschnitts so etwas wie ein Making of zur Tour aus dem Material machen sollten. Wir haben uns nicht dazu entschlossen. Die Idee war ok und gut gemeint. Nur ist das Ergebnis das ganz und gar nicht. Wir bedauern das sehr, haben im Augenblick aber keine Lösung. Da haben wir wohl ein bisschen früh über unfertige Dinge gesprochen, was ich eigentlich nicht mag. Es gibt Überlegungen, wie die blöde Situation gerettet werden könnte, aber das ist nicht so einfach. Bis dahin, dass es im Augenblick noch keine Firma gibt, die sich für Produktion und Vertrieb interessieren würde. Das ist schon 'ne richtig blöde Situation.

 

Ich hab gelesen, Deine Maxime ist "Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von anderen, so wird dir viel Ärger erspart bleiben" (Konfuzius) Was verbindest Du damit?
Ja. Der Spruch hängt immer noch in meinem Büro oder Studio, wie man es nennen will, unter der Uhr. Ich finde, das ist ein toller Spruch. Der sagt irgendwie alles. Für mich war er mal ein wenig der Katalysator für meine erste Platte. Als ich von einer Plattenfirma zur anderen gerannt bin, die mir meine Tapes wieder zurückschickte, oder sagte: "Hmmm, äähhh... Du bist halt zu alt." und was weiß ich alles, damals hab ich mir gesagt: "...dann mach ich mein Ding halt alleine!" Natürlich konnte ich nicht alles ganz allein machen. Grafik und solche Sachen, da braucht man schon professionelle Hilfe. Aber ganz nach dem Spruch hab ich erst mal alles angerührt, mich drum gekümmert, dass das Album wächst. Ich sehe das Motto auch so: Ich kann nicht zu Hause sitzen und warten das mich jemand anruft, sondern muss mich um meine Sachen kümmern. Klar muss man irgendwie auch ein Teamplayer sein, sonst funktioniert das Ganze eh nicht. Andererseits muss man auch für seine Dinge der sein, der die Richtung weist. Es braucht eben auch einen Anführer, nicht im Sinne eines Herrschers, sondern desjenigen, der die Richtung vorgibt, die Aufgaben so verteilt, dass der Karren dann läuft... In diesem Sinn ist mir die chinesische Weisheit ein Motto geworden.

 

Du hast Deine Soloalben selbst produziert. Hattest Du Hilfe?
Bei der ersten Platte gab es Leute, die mich vor allem auch finanziell unterstützt haben. Das waren Menschen, die sowohl Rockhaus mochten, als auch die Sachen, die ich später machte und die von meinem Soloprojekt jetzt ebenfalls überzeugt waren. Mit denen teilte ich die finanziellen Risiken. Zum Glück (lacht) haben diese Menschen auch etwas wiedergesehen von ihrem Geld. Um das Vorhaben Mike Kilian anzuschieben, war deren Engagement schon recht wichtig. Technisch habe ich die erste Soloplatte noch mit André Kunze gemacht, der auch für City, Puhdys und andere Bands produziert hat. Da hab ich eine Menge lernen können, indem ich ihm über die Schulter geschaut habe. Erste Erfahrungen mit Musikproduktionen habe ich allerdings bereits mit einigen Demos gesammelt, die schon sehr früh allein bearbeitet wurden. Aber auch solche Leute wie Edo Zanki oder die Fahrenkrog-Brüder hatten da Einfluss. Wo immer ich Musik aufnahm, hat mich die Produktion durchaus interessiert. Das begann bei Rockhaus und hat bis heute nicht aufgehört. Überall hat man gelernt und gekuckt und etwas mitgenommen.

 

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Neben Rockhaus und den Soloprojekten hast Du mit Erfolg weitere sehr interessante Sachen gemacht. Nicht nur mit, sondern auch für andere zu arbeiten, ist Dir nicht fremd. Wie kommt einer der charismatischsten Frontleute des Ostrocks zu den Größen des Rock, Pop und Rap aus dem Westen? Wie war die Zusammenarbeit?
Das ist wie so vieles im Leben und hat oft mit einem Zufall zu tun. Ich hab, bevor ich die "Immer anders" gemacht habe, viel mit Edo Zanki zu tun gehabt, die Platte so zu sagen mit ihm entwickelt. Später auch mit Fahrenkrog-Petersen, von Nena. Ich war auf der Suche nach meinem Stil als Mike Kilian, aber auch nach meinem Weg zu meiner Platte. Mit Edo hab ich mich sofort bestens verstanden. Im Gepäck hatte ich einige Demos, von denen ihm einige auf Anhieb gefielen. Für sein Album mit Titeln von Leuten, mit denen er gearbeitet hat, suchte er sich später die zwei Titel "Land" und "Zeit" von meiner ersten Solo LP "Immer anders" aus und coverte sie. Irgendwann hatte sich die Zusammenarbeit mit Zanki für mich aber erschöpft, weil wir an einen Punkt kamen, wo ich etwas anderes machen wollte als das, wobei er mir hätte helfen können. Ich schätze ihn unverändert, aber damals haben wir uns musikalisch getrennt. Die Erfahrung, mit ihm zu arbeiten, und dabei bis zu einem wichtigem Punkt mit meinem ersten Album zu kommen, möchte ich nicht missen. Die Zeit war sehr wichtig für mich. Edo ist ein Klasse Typ, einer von den Guten. Ich habe auch kein Problem damit, mit anderen oder für andere zu arbeiten. Ob als zweiter Gitarrist oder im Chor, da sollte man wissen wo man hingehört und wie man sich zu verhalten hat. Ich denke, ich kann mich ganz gut in Teams einordnen. Ob als Frontmann oder in der Band. Und in einigen Bereichen kann man ja in der zweiten Reihe durchaus etwas lernen.

 

Da fällt mir Background bei Sabrina Setlur ein. Wie kamst Du denn überhaupt zu Sabrina Setlur?
Wie bereits gesagt. Einige Dinge im Leben haben mit Zufällen zu tun. So auch dieses Engagement. Im Chor von Sabrina Setlur war ein Sänger ausgefallen. 48 Stunden später sollte 'ne große Tour starten, so dass da die Kopfschmerzen losgingen: Wie finden wir 'nen Ersatzmann? 3P, das Management Sabrina Setlurs, rief mich an, weil man mich da kannte. Ich muss vielleicht dazu sagen, dass die Frau Edo Zankis bei 3P arbeitete. Die liebe Isa hatte sich an mich erinnert und rief mich an. Ich kann mich noch genau erinnern (lacht)... Das war irgendwie Anfang Januar 2000. Und ein Vormittag. Das Telefon klingelte. "Hallo Mike, wie geht's?" Ich sage: "Gut.", "Hast du die nächsten drei Wochen was vor?", Ich sage: "Du - Januar ist immer so ein bisschen saure Gurken Zeit... Nö..., was willst'e denn...?", "Na ja, könntest Du Dir vorstellen...". Dann hab ich erst mal spontan zugesagt. Und 48 Stunden später standen wir auf der Bühne. Dann ging die Tour los. Mit der Musik hatte ich eh kein Problem. Die Refrains waren ja auch melodisch. Gerapt wurde von Sabrina nur in den Strophen. Ja - das war einfach eine schöne Erfahrung. Das hat wirklich Spaß gemacht, mal nicht vorn zu stehen, sondern hinten den Background zu bedienen. War einfach Klasse.

 

Der Abstecher zum Rap war ja nicht der einzige Exkurs des Rockmusikers Mike Kilian. Mit Eva Maria Pieckert und Anke Lauterbach bist Du ja länger im Messias zu erleben gewesen. Für mich eine recht unerwartete Begegnung. Wie hast Du das erlebt?
Der "Messias" wurde über 30 Mal aufgeführt und war schon etwas ganz Besonderes, konnte ich doch meine klassische Ader, die schon in der Gesangsausbildung gelegt wurde, einmal ausleben. In der Bearbeitung von Bernd Wefelmeyer als Sinfonische Adaptionen mit großem Orchester und Jazzband hab ich neben Eva Maria Pieckert und Anke Lauterbach gesungen. Vorher hat es bereits andere Besetzungen gegeben. Man suchte eben neue Köpfe. Der Dirigent hatte mich im Kopf und bestellte mich da hin. Ich war wirklich aufgeregt, weil ich seit langem mal wieder nach Noten singen musste, Klassik in der Art ja noch nicht ernsthaft gemacht hatte und zudem die beiden Damen nur als Schlagersängerinnen, also nicht wirklich kannte. Ich denke zwar nicht "das sind ja die Schlagertypen", denn genauso können die anderen ja auch denken "der Rock- oder Popaffe" oder sowas. Viel wichtiger ist es, sich auf die anderen als Musiker einzulassen. Was er persönlich macht, ist mir zunächst völlig Wurst, solange er nicht austickt und was weiß ich für Unsinn anstellt. Und ich kann nur sagen - Eine sehr, sehr angenehme Zusammenarbeit. Wir hatten keine Probleme. Weder mit dem Stoff noch mit unserer musikalischen Herkunft, zumal wir uns ja alle auf fremdem Terrain bewegten. Die Probleme hatten anfangs in der Regel eher einige Leute aus dem Publikum und die Experten, die jeden Künstler in Schubladen einordnen. Da kommt es dann vor, dass man jemandem, der Schlager singt, nach dem Motto "Schlagertante bleibt Schlagertante" keine andere Musikrichtung zutraut, anstatt die Musiker nach dem zu beurteilen, was sie leisten und wie sie ein Stück interpretieren und darbieten. Für mich war diese Sache sehr schön. Fast wie ein kleiner Befreiungsschlag, konnte ich doch mal ein anderer Mike Kilian sein als der, der brüllt und rockt und ein Stück Rockhaus ist, der sogar klassisch singen kann. Und auch Eva und Anke haben zeigen können, dass sie exzellente Sängerinnen sind. Das tat allen sehr gut. Darüberhinaus hat diese Zusammenarbeit ja indirekt noch zu ein paar Titeln geführt, die ich für Eva schrieb.

 

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Welche klingenden Namen hätte ich noch nennen können, wenn es um gemeinsame Auftritte geht?
In der Art eigentlich niemanden. Denn mit uns hat kaum jemand gespielt. Wir hatten nicht so viele prominente Gäste. Und bei anderen Berühmtheiten gespielt hat auch fast niemand von uns. Wir waren mit ein paar Leuten auf den gleichen Festivals oder sind in der gleichen Fernsehsendung aufgetreten. In der Regel aber jeder für sich. Mir fällt da sofort Bryan Adams ein, mit dem wir mal auf dem gleichen Festival spielten. Wer wirklich mit einem Großen gespielt hat, das ist der Drummer der Starfucker. Er hat unlängst mit Eric Clapton auf einem Benefiz in London gespielt.

 

Fällt es Dir eigentlich schwer, für so verschiedene Typen zu schreiben oder mit ihnen zu arbeiten?
Nein, nicht wirklich. Es ist immer eine Herausforderung. Aber es macht mir viel Spaß mich an immer Neuem zu versuchen und dabei Verschiedenes auszuprobieren. Ich habe auch in Richtung Schlager etwas für Eva Maria Pickert geschrieben. Mein letztes "Fremdwerk" ist ein Titel für die letzte Prinzen-Scheibe gewesen. Gerade für Eva Maria Pieckert habe ich einige Titel schreiben können, die zeigen, dass man Musik nicht in Schubladen denken sollte. Eva Maria wollte ebenfalls Neues machen, etwas, dass nicht dem typischen Schlager-Klischee entsprach. Sie hatte bereits einige Texte und wir hatten gemeinsam im "Messias" gespielt und gesungen (gerade auf DVD erschienen), so dass ich durchaus Anregungen und Ideen für Titel für Eva Maria hatte. Ein Titel war zum Beispiel im Grunde ein Weihnachtslied. Etwas, was ich schon immer mal ausprobieren wollte. Ich finde, es hat gut funktioniert. Und wenn man die Melodien ein wenig anders arrangieren würde, vielleicht an ein paar Stellen etwas rockiger machte, würden sie für jede Rock oder Popproduktion taugen. In Deutschland scheint mir dieses Klischeedenken besonders stark zu sein. Wir Deutschen tun immer so, als sei Schlager etwas ganz böses und andere Musik. Zuletzt beim Echo wurde im Publikum mal wieder gelacht und gewitzelt, weil die Kastelruther Spatzen zum 100sten Mal einen Preis abholten. "Ja, ja, die wieder...". Irgendwie nahm man sie nicht ernst und vergaß dabei, dass sie 100.000de nicht nur alter Menschen sehr glücklich machen mit ihrer Art Musik. In Amerika ist das zum Beispiel anders. Da gibt es einen riesengroßen Markt mit Folk, Blues, Country und dies und das und alles ist Musik, die gleichberechtigt nebeneinander existiert. Hier ist das oft so, als wären die Genres feindliche Lager. Allerdings haben viele Schlagertypen auch den Komplex, sich erst mal dafür zu entschuldigen, wenn sie auf die Bühne gehen, so nach dem Motto: Seid nicht sauer, dass ich jetzt hier bin. So etwas verstehe ich ganz und gar nicht.

 

Reinhard Petereit und Carsten Mohren haben nach der Wende recht erfolgreich an Theatern gearbeitet und Film- und Theatermusik geschrieben. Reinhardt Repke ist der Kopf des Literaturprojekts "Club der toten Dichter". Hast Du Dich auch im Metier Theater/Literatur versucht?
So wie Reini, der viele Sachen mit Armin Petras machte und zum Beispiel Musiker, Komponist und Schauspieler bei "Sterne über Mansfeld" am Schauspiel Leipzig tätig war, so hab ich Theater oder Theatermusik nie gemacht. Ich hab mich allerdings in verschiedensten Projekten außerhalb des Rock betätigt. Bei einigen Sachen waren dabei auch schauspielerische Qualitäten gefragt. Das begann mit einer Nebenrolle im Musical "Yesterday". Dann war da der "Messias", Klassik pur wenn man so will oder "Wagnerama". Das war ein anspruchsvolles Konzept, wo man in gewisser Weise Parallelen zu Maxes Konzept ziehen könnte. Allerdings hab ich da "nur" gesungen, während Maxe im Club der Regisseur ist. Man kann die einzelnen Programme nicht miteinander vergleichen und auch nicht mit denen von Reini, Maxe und Beathoven. Aber es ist ihnen gemeinsam, dass sie relativ wenig mit dem zu tun haben, was Rockhaus sonst ausmachte. Jeder setzte in seinen Projekten seine Stärken ein und seine Vorstellungen so gut es ging um. Wie mir scheint, nicht ganz erfolglos.

 

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Das erste große Projekt außerhalb von Rockhaus, war das angesprochene "Wagnerama". Wann startetest Du damit und was sollte man sich darunter vorstellen?
Wagnerama begann 1994 und war zunächst mal eine gewaltige Versuchung, weil es etwas neues und ganz anderes als eine typische Rockband war. Es war ein Projekt, das im Stil "Rock meets Classic" angelegt war. Musik von Wagner wurde auf moderne, rockige Art mit entsprechenden Arrangements und Instrumenten gespielt. Da wurden von großen Dingen und dem großen Erfolg geträumt. Das Ganze war auch richtig professionell aufgezogen. Das dazugehörige Album "Haunted" wurde in der ganzen Welt verkauft und hat auch ein paar ganz gute Kritiken bekommen. Was ich später erfuhr war, dass die Musiker regelrecht gecastet wurden. Da hab ich mich als Sänger gegen ganz viele andere Leute durchgesetzt, obwohl ich das eigentlich zuerst schon hingeschmissen hatte. Ich bin da nämlich hingekommen mit 40 Fieber, war also richtig fertig und sollte dann da was vorsingen. Vorher hatte man mir eine Kassette geschickt mit Stücken die ich singen sollte. Ich dachte, dass ich das frei modellieren kann, mir was ausdenken sollte. Da steh ich also hinterm Mikrofon, der Knopf im Ohr geht an und der polnische Produzent sagt: "Nein, so mache ma nich. Mache mal genau so, wie ich dir aufgespielt habe." Und das Ganze ging x mal hin und her. Bis ich irgendwann sagte: "Ich bin jetzt irgendwie... Fieber und so. Ich mach das jetzt noch einmal, dann ist's genug". Der wollte dann aber noch mal: "...jetzt aber nochmal Ton ganz oben. Das f...". Irgendwann hab ich dann gedacht: Dieses Arschloch, das muss ich mir jetzt nicht mehr antun und hab ihm gesagt: "Ich mach die ganze Scheiße hier nicht." Und bin gegangen. Damit hatte sich das für mich eigentlich erledigt. Zwei Tage später hatte ich einen Anruf und den Job. (lacht) Komischerweise genau wegen dieser Geschichte. Ich war wohl auch der beste Sänger, aber die wollten auch 'nen charismatischen Typen mit 'ner eigenen Meinung. Deshalb sollte genau ich das machen. Ich würde so ein Vorgehen in einem normalen Gespräch allerdings nicht empfehlen. Es kann sonst schon sein, dass man geht und nie angerufen wird. Das war schon eine besondere Situation. Und dann eine unwahrscheinliche Herausforderung für mich. Weil ich ausschließlich der Sänger war, der sich von einem Produzenten sagen lassen musste: "...singe so oder so oder mach das zum 25. mal und jetzt in der Art." Das war für mich ja eine ganz neue Erfahrung, sich so stark unterordnen zu müssen, nicht zu improvisieren, sondern genau das zu machen, was der hinter der Scheibe will. Das musste ich mein ganzes Leben lang nicht. Bis dahin konnte ich immer irgendwie ein bisschen schummeln und das tun, was mir gerade einfiel. Dort war es eisenhart: "Komm, jetzt singst du oben das f...…" Dann war da noch ein Englischcoach, der da saß. Der eine sagte: "Hast du aba wundaba gesunge", fing der andere an: "Aber man hört leider das th bei dem einen Wort nicht. Mach das bitte noch einmal..." Wenn ich da manchmal 'ne Knarre gehabt hätte... Aber das war eine einmalig gute Schule für die Selbstkontrolle. Bei "Yesterday" war das dann wieder anders. Da hab ich mir ein bisschen Mitgestaltung und Improvisation, mal 'nen Satz zu ändern oder etwas Lustiges, Modernes zu machen, erlaubt. Das wurde auch akzeptiert weil es beim Publikum meist sehr gut ankam. Natürlich musste man zum Stichwort wieder auf Linie sein um den Partner nicht ins Verderben zu stürzen, aber es bestand die Möglichkeit, etwas freier zu arbeiten. Das hat natürlich viel Spaß gemacht, weil ich da wieder der Mike sein konnte. Aber hätte man von mir Linie verlangt, ich hätte das nach Wagnerama machen können. Dass das ganze dann doch recht schnell endete, lag daran, dass sich eben doch nicht der kommerzielle Erfolg erzielen ließ, den man sich vorgestellt hatte. Ob ich das ewig hätte machen wollen, bezweifele ich allerdings auch. So bleibt neben der Platte eine besondere Erfahrung.

 

Wie kamst Du dann zum Musical "Yesterday", was ja wieder etwas ganz Anderes als Wagnerama oder die Band ist?
Das hat gewissermaßen wieder mit dem richtigen Zeitpunkt und dem richtigen Ort zu tun. Einer der Macher von "Yesterday", Hein Altenbroxter, hatte Rockhaus vor Ewigkeiten mal gesehen. Das war 88/89, als wir auch mal rüber fahren durften. Und der erinnerte sich an uns, als das Musical von Hamburg nach Berlin umzog und eine B-Besetzung für Berlin gesucht wurde. Ich bekam irgendwie das Angebot, in das Musical einzusteigen. Nicht als der große Star, sondern zunächst als zweite Besetzung einer Nebenrolle. Aber das hat mich weniger gestört, zumal es für jede große Rolle eine Doppelbesetzung gibt, die man etwas geringschätzig mit B-Besetzung beschreibt. Die Leute die das machen, haben damit kein Problem und sind durchaus wichtig. Ok! Es ist ein wenig hart, wenn du die B-Besetzung der B-Besetzung bist bei so richtig großen Sachen. Aber das war ich Gott sei Dank nie (lacht). Und dann habe ich das Musical ein wenig auch als Hommage für meinen Papa, der ja Schauspieler war, gemacht. Bei dem Angebot hab ich mir gedacht: Wenn er jetzt noch leben würde, würde er bestimmt aus den Socken springen vor Freude, dass sein Sohn jetzt, wenn auch nicht Theater, so wenigstens eine Bühne betritt und nicht nur singt, sondern auch ein bisschen tanzt und viel redet. Mit Musical, Choreografie und Schauspiel hatte ich bis dahin recht wenig zu tun. Mit der Nebenrolle konnte ich mich ausprobieren und lernen. Ich bin dann in der Inszenierung gewachsen und hab, nachdem beide Besetzungen der Hauptrolle krank wurden, die Rolle übernommen. Damals musste ich sogar improvisieren, da ich sehr kurzfristig einspringen musste und doch stellenweise ordentlich schwamm. Diese Improvisationen frischten das etwas eingefahrene Stück auf, verlieh ihm neuen Pep, so dass ich die Hauptrolle auch behielt. Da war ich dann doch schon ganz schön stolz und ich denk, mein Papa auch. Da beherrschte ich auch das schauspielerische Handwerkszeug einigermaßen. Ich hab "Yesterday" dann mehrere Jahre erst in Berlin, dann auch in Hamburg gespielt. Und wie schon gesagt, hab ich da ein wenig meinen Stil eingebracht. Allerdings erst, als ich die Hauptrolle spielte. Vorher hätte man mich möglicherweise wieder nach Hause geschickt oder so.

 

Du sagst von Dir selbst, dass die Yesterdaysongs Deine Zeit und Deine Lieder sind. Hattest Du im Musical Lieblingstitel?
Ich durfte im Musical den Titel "Yesterday" von den Beatles singen und improvisieren. Ich habe also ein wenig aus der vorgegebenen Melodie ausbrechen dürfen. Eigentlich dachte ich: Oh, oh... Diesen Übertitel verändern? Aber es kam beim Publikum immer super an, so dass ich das durchaus genießen konnte. Ein echtes Highlight war auch "Eloise" von Barry Ryan. Und dann war da noch dieses Lied, das auch im Film "Ghost" gespielt wurde... (Mike singt den Titel "Unchained Melody" von den Righteous Brothers kurz an - selbst am Telefon und völlig unvorbereitet einfach Klasse!) Ich komm gerade nicht drauf. (lacht). So ne langsame Nummer eben, aber eine tolle Melodie. Fand ich total geil, die mal singen zu dürfen. Das ganze Stück war riesig schön. Auch weil man eben nicht so eng bei den Leisten bleiben musste.

 

Stark beachtet wurde zuletzt "Final Stap". Ist "Final Stap" in gewisser Weise Deine etwas andere Fortsetzung von "Yesterday"?
Ja und nein. Nein, weil Tobias Künzel sich das ausgedacht hat. Es gibt Final Stap nun bereits seit vier Jahren. Schon wie es überhaupt dazu kam, ist recht unkonventionell. Er ist ja eigentlich Schlagzeuger (Amor & die Kids - Anm. d. Verf.) mit einer klassischen Gesangsausbildung. In seinem Studio stand ein tolles Schlagzeug, das er nicht nutzte, wenn er mit den Prinzen unterwegs war. Ja, weil im Programm im Grunde große Hits zu finden sind, wie es ja auch bei "Yesterday" der Fall war. Irgendwann kam Tobias mit meinem Gitarristen Christian Sorge auf die Idee, seine Lieblingstitel "neu" live spielen zu wollen. Die Final Stap Idee, beeinflusst vom englischen Spinal Tap, war geboren. Allerdings sollte das Spaßprojekt real auf die Bühne und nicht fiktiv bleiben wie in England. Dazu braucht man aber eben etwas mehr als ein Schlagzeug und eine Gitarre. So wurde nach anderen gesucht, die verrückt genug waren, da mit zu machen. Es sollte eine Band sein, richtig abgehen und alle sollten Spaß miteinander haben. Der Ex-Amor & die Kids-Bassist kam hinzu und für den Gesang wählte mein Freund Tobias mich. "Wenn da vorn einer rumturnen darf, dann nur Mike", soll er gesagt haben. Er musste mich etwas überreden, da ich ja verschiedene Projekte hatte und befürchtete, dass alles durcheinander geraten würde. In der Regel ist es ja so, dass entweder alles an einem Wochenende stattfindet oder gar nichts. Und das zu koordinieren, stellte ich mir schon schwer vor. Zudem gab es zu dem Zeitpunkt nur eine relativ vage Vorstellung, was man eigentlich machen wollte. Die Sorgen und Bedenken wurden schnell geklärt, denn wir stellten fest, dass wir mit dem gleichen Humor an die Sache gingen. So stand schnell fest, was "erneuert" werden sollte. Im Grunde waren wir uns sofort einig. Vielleicht da wir mit den gleichen Hits aufgewachsen sind, in einer Zeit, als wir noch vor Fernseher und Radio unsere Stars bewunderten und noch keine Instrumente spielen konnten. Wir wollten Größen wie Led Zeppelin, The Who, Sweet, T.Rex, Slade und wie sie alle hießen nicht einfach covern. Davon gibt es ja viele zum Teil sehr gute Bands, sondern wir wollten deren Hits auf unsere Weise aktuell, mit einem gewissen Augenzwinkern und dennoch als guten alten Rock'n Roll interpretieren. Das ganze sollte einmalig eine Woche laufen und war nicht vordergründig kommerziell ausgelegt. Umso erstaunlicher war die unglaubliche Resonanz. Ausverkaufte Klubs und Spaß pur, sowohl auf der Bühne als auch davor. Tobias trommelte sich die Seele aus dem Leib, dazu viele Gags von den Musikern bis zu den Technikern. Es war einfach eine tolle Geschichte und ein großer Spaß für uns. So haben wir beschlossen, das zu wiederholen. Mittlerweile halt zum vierten mal und immer mit Gästen.

 

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Ein ganz besonderer Gast war Guildo Horn. Wie kamt ihr mit ihm zusammen und wie hast Du ihn erlebt?
Tobias kannte Guildo Horn und hat mit ihm telefoniert und ihm von unserem Vorhaben erzählt. Beide haben diese Genreschranken nicht im Kopf. Zudem passte der Klamauk Guildos perfekt zu dem, was wir machen wollten. Als er dann zusagte, haben wir uns schon gefragt: Was machen wir da eigentlich? Immerhin war Guildo ja aus dem Fernsehen bekannt und sollte sich hier in die Show einordnen. Aber Guildo ist nicht nur ein absoluter Profi, sondern auch hochintelligent, charmant, äußerst nett und passt menschlich wirklich gut in die Truppe. Er hat sofort gesagt, er will da unbedingt mitspielen und möchte Alice Cooper sein, dessen Musik und Outfit er sehr mag. Da stimmte sofort alles und so war Guildo dabei. Mittlerweile bei mehreren Touren und das zeigt ja, dass es allen Spaß gemacht hat. Guildo bestand übrigens darauf, dass er nicht mit Hinweisen auf "Piep, piep, piep" und ähnlichem angesagt wird. Dieser Guildo hat auch nur entfernt mit dem gespielten Alice Cooper zu tun. Sein hautenges Outfit war der Brüller. Aber wie er das alles auf die Bühne brachte, war einfach super. Selbst wenn man sein sonstiges Schlagergemache nicht abkann, die vier Titel, die er da brachte, die Nummer die er da als Alice Cooper abgezogen hat, war schon ziemlich geil. Und damit hat er die Leute auch gekriegt. Da gibt's gar keine Frage.

 

Wird es demnächst wieder eine Final Stap Tour geben?
Konkret ist da noch nichts geplant, aber das würde ich nicht ausschließen. Wie gesagt, es zwingt uns niemand dazu, sondern wir machen gerade Final Stap auch für uns zum Spaß. Und wenn es uns halt wieder so ist... dann gehen wir möglicherweise wieder gemeinsam auf Tour. Für konkretere Planungen war bisher kein Anlass, da die Prinzen an einem neuen Album arbeiten, dass 2008 noch erscheinen soll, so dass unklar ist, wie sich unsere Geschichte da einordnen lässt. In der Vergangenheit waren wir recht erfolgreich in den größeren Oststädten und da würden wir uns wohl auch wieder hin orientieren.

 

Waren die besprochenen Projekte und später Deine Solokarriere der Anfang vom Ende von Rockhaus?
Nach der Wende haben wir alle so nach und nach das eine oder andere neben Rockhaus gemacht. Teilweise bekamen diese Seitenprojekte dann recht große Bedeutung. Die Nebenrolle in "Yesterday" hab ich damals auch angenommen, weil irgendwie bei Rockhaus nichts mehr lief. Auch wenn das die Rockhausfans vielleicht nicht so gerne hören, ich war ganz froh, dass wir uns da mal getrennt haben. Wir sagten uns, die Luft ist im Augenblick raus. Und eh wir uns hier rumquälen, macht jeder einfach mal seins - das was ihm Spaß macht. Entweder wir finden nie wieder zusammen, dann ist auch gut, oder wir haben dann wieder Spaß daran, etwas miteinander auf die Beine zu stellen. Nun ist ja letzteres erfreulicherweise doch eingetreten, auch wenn wir heute nicht mehr 365 Tage im Jahr zusammen sind und nur alle paar Jahre auf Tour gehen. Dass das damals nicht falsch war, zeigt, was wir in der Zwischenzeit alles gemacht haben, und dass wir wieder richtig Spaß daran haben, miteinander zu spielen. Ich fand das damals für mich sehr befreiend, weil ich zunehmend auch anfing, meinen Rockhaus-Tunnelblick abzulegen und die neuen Möglichkeiten links und rechts von Rockhaus wahrzunehmen und auszuprobieren. Ich hab begriffen, dass vieles andere auch Musik ist. Von der Messiasgeschichte, über die wir ja schon gesprochen haben, bis zu STARFUCKER.

 

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Die angesprochenen STARFUCKER sind ja nun wieder eine Rockband. Warum eine Coverband und nichts Eigenes?
Wenn man so will, ist die Erkenntnis, dass Musik viel mehr als Rock ist, auch dazu die Idee. Mit Heinz, unserem Rockhausschlagzeuger (Michael Haberstroh - Anm. d. Verf.) haben wir das damals ausgeheckt. Wir wollten das einfach mal ausprobieren. Reines Cover hatten wir ja auch noch nicht gemacht. Heinz kam drauf, weil er meinte, ich hätte während der Soundchecks bei Rockhaus ganz passabel immer mal wie Freddie Mercury, Mick Jagger oder Bryan Adams gesungen. So zum Spaß der Kollegen. Und irgendwann mal sagte er: Mann, wir sind ja nicht immer mit Rockhaus unterwegs. Wollen wir nicht mal sowas machen? Den Gedanken haben wir dann weitergesponnen. Ich sagte Heinz, dass ich keine Lust hätte, nur wie Mick Jagger über die Bühne zu rennen. Ich wollte auch Keith Richards sein, weil mir dessen Gitarrenstil und die Stimmung seiner Gitarre sehr gefällt und ich das auch spiele. Wenn, dann beide. Das waren da noch reine Hirngespinste, über die wir herzlich gelacht haben. Mit "Das will doch eh kein Mensch sehen. Die können ja zu den echten Stones gehen." hatte sich das Thema vorerst erledigt. Doch irgendwann haben wir uns dann doch damit auf die Bühne gewagt und man höre und staune - mittlerweile sind die STARFUCKER ins 10. Jahr gegangen, wo wir uns schon selbst ein wenig erschreckt haben. Aber damals war der Anlass der Wunsch, den Horizont zu erweitern, etwas neues zu versuchen. Das ist mir auch heute noch wichtig, ohne dabei alles alte zu verwerfen. Engstirnigkeit im Sinne "Das bin ich und das ist meine Band. Wir machen diese Musik und nichts Anderes" ist nicht mein Ding. Ein anderer Aspekt ist der Spaß an einer Sache. Wenn der verloren geht, sollte man wenigstens eine Pause einlegen und etwas anderes machen. Ich kann für mich sagen, dass mir alle Sachen, die ich gemacht habe, wirklich Spaß machten. Es gibt ja auch mal Situationen, in denen man mit einer Sache in einem Loch steckt und Trübsal bläst, vielleicht gerade nicht weiter weiß. Da braucht es andere Sachen, in denen man sich einfach fallen lassen kann, wo Du wieder positive Energie draus ziehst. Für mich sind das solche Sachen wie Final Stap. Ich will das gar nicht abtun. Klar geht's da für das Publikum auch um was. So ist das auch bei STARFUCKER und war auch bei "Yesterday" so. Da kommt einer auf die Bühne, der will Jagger, oder einen Beatle oder einen anderen großen Star darstellen. Der muss eine ordentliche Leistung abliefern. Die, die da in ein Konzert kommen, kennen zum Teil Mike Kilian gar nicht, sondern vergleichen mich mit dem Original. Wenn dann jemand nach dem Konzert kommt und sagt: "An der Stelle hab ich die Augen zu gemacht und konnte alte Erlebnisse noch einmal genießen…" Oder: "Ich hab das Original gesehen, du warst wirklich gut, du hast toll gesungen!", dann ist das schon ein tolles Gefühl. Dann weißt du, du hast ein paar Leuten Spaß bereitet und das, was Du machst, hat seine Berechtigung. Dazu kommt, dass es erstaunlich ist, was man so alles zu Stande bringt, was man musikalisch alles hin bekommen kann. Die STARFUCKER haben noch den positiven Effekt, dass dort nicht alles auf den Schultern eines einzelnen lastet, sondern da sind die Aufgaben in der Band verteilt. So ist vieles nicht ganz so aufreibend, was den Spaßfaktor deutlich steigert.

 

Wie sieht es mit ganz neuen Projekten aus? Dirk Zöllner hat vor geraumer Zeit geäußert, sich eine Zusammenarbeit mit Dir vorstellen zu können. Gibt es Kontakte oder gar gemeinsame Projekte?
Nein, eigentlich überhaupt nicht. Der Zufall wollte uns mal vor vielen Jahren zusammenbringen. Wir hatten ein Rockhauskonzert in Berlin und da kam Dirk Zöllner als Specialguest auf die Bühne. Ich hab ihn auf einer Akustikgitarre bei einem Titel begleitet. Das war unser einziger musikalischer Kontakt bisher. Sonst haben wir uns nur zu den üblichen Gelegenheiten mal aus der Ferne gesehen oder ein paar Worte gewechselt. Aktuell ist da nichts gemeinsames geplant, aber man weiss ja nie was geschieht oder entstehen könnte. Interessieren würde mich das schon, zumal ich eine recht hohe Meinung von ihm habe. Außerdem gibt es nicht nur altersmäßig Parallelen.

 

Ich hab noch ein paar Fragen, die sich im Verlauf unseres Gesprächs nicht einbinden ließen. Die erste ist: Nach Deinem Ausscheiden aus der Band gab es eine Zeit lang einen neuen Sänger bei Rockhaus. Wie hast Du das empfunden?
Zunächst habe ich gedacht: Ok, vielleicht warst du ja doch der Störenfried in der Band. Das war der erste Gedanke als ich hörte, die Jungs holen sich einen neuen Frontmann. Schauen wir mal, wo die musikalisch damit hingehen. Ich hatte den Eindruck, das was dann kam nicht so doll war und auch der neue Sänger nicht der Überflieger. Das begann dabei, dass ich groß und schlank bin und er eher klein und dick wirkte, aber versuchte anders zu wirken. Jedenfalls hatte ich den Eindruck. Ich hab einmal ein Konzert gesehen und da wirkte er halbwegs souverän, aber nicht wirklich mitreißend oder besonders toll. Die Chance, eine ganz andere Musik zu machen, war mit ihm nicht umsetzbar, schien mir. Ich glaube, die Band hat das irgendwann auch gemerkt und dann hat man sich ja auch wieder getrennt. Ich hätte ihnen das durchaus gegönnt, aber das war nicht. An dem Tag zumindest hab ich mal 'ne Sekunde gedacht: Na gut, da hättest du auch dabei bleiben können. (lacht)

 

Nun gab es ja erfreulicherweise die Reunion unter Freunden. Welche Rolle spielt Heinz dabei?
Er war der Motor. Wie immer (lacht). In einer Band gibt es ja immer Charaktere. Der eine ist der Treibende, der andere der Kreative, der nächste der Clown oder so was. Bei Rockhaus war Heinz der, der immer, wenn es Spannungen gab, dazwischen gehüpft ist, der mal der Pausenclown war, mal der Schlichter, der, der die Band irgendwie zusammengehalten hat. Er war ein wenig der, der die Trennung auch etwas schwerer verwunden hat und so hat er auch immer, wenn wir uns irgendwo getroffen haben, nachgebohrt. Wir haben ja auch zusammen die STARFUCKER gegründet und da hat er mir auch laufend in den Ohren gelegen, doch mal wieder was zusammen mit den Jungs zu machen. Als dann vor ein paar Jahren von den Prinzen die Anfrage kam, ob wir für ihre Tour nicht als Vorband spielen würden, hat es gefunkt. Das war so 'ne Idee von den Jungs. Wen hätten wir am liebsten als Vorband? Alle sprachen sich für Rockhaus aus, nur dass es die ja nicht mehr gab. Da mussten wir uns halt wieder gründen (lacht). Heinz war aus dem Häuschen und hat sofort alles in die Hand genommen. Er war der Motor und der treibende Keil. Wir haben uns dann geeinigt, erst mal die paar Konzerte bei den Prinzen zu spielen und wenn wir Spaß an der Sache finden, noch mal über 'ne eigene kleine Tour nachzudenken.

 

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Was verbindet Dich mit dem CFC, dass Du die Stadionhymne für die Chemnitzer geschrieben hast?
Das hat ein wenig mit dem Mäzen von der ersten Soloplatte zu tun. Er ist im Vorstand des Vereins gewesen und erzählte mir, dass die Jungs keine eigene Hymne hätten. Damals waren sie noch ganz gut platziert, was heute nicht mehr ganz so ist (lacht), und da musste eine Hymne her. Man hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte... So hab ich mich ans Werk gemacht. Ich setzte mich mit den Managern, den Spielern und den Fans zusammen, um einen passenden Text zu finden. Dann hab ich losgelegt. Das Ganze war eine echte Herausforderung. Die Arbeitsweise war völlig anders als meine sonstige, musste ich doch das wiedergeben, was mir andere sagten. Ich hab auf die Jungs gehört, ihre Schlachtrufe eingebaut und versucht, alles Wichtige in ihren Worten wiederzugeben. Das Ergebnis scheint in Ordnung zu sein. Das Stück wird heute noch gespielt. Meine Wenigkeit hat sich, wie man sieht, gegen mehrere andere Vorschläge durchgesetzt und darüber freue ich mich noch heute. Ein besonderes Erlebnis war es, den Titel mit der ganzen Mannschaft im Studio einzuspielen. So entstand diese Fussballhymne. Es ist eines meiner meistgesungenen Lieder (lacht). Und ich befinde mich ja in richtig guter Gesellschaft, wenn man sieht, wer alles in Fußballstadien gespielt wird.

 

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Du hast auf die Frage "Wofür würdest du alles stehen und liegen lassen?" geantwortet "Für guten Sex, gutes Essen, guten Wein und gute Mugge mit meinen Jungs". Was gute Mugge ist, wissen wir, was guten Sex angeht, schweigen wir. Aber verrate uns, was du unter gutem Essen und gutem Wein verstehst.
Das ist zunächst mal wörtlich genommen eine Geschmacksfrage. Es gibt Weine für wenig Geld, die ausgezeichnet schmecken, genauso wie teure, die furchtbar sind. Aber selbst das empfinden die Leute ganz unterschiedlich. Beim Essen ist es genauso. Und zum Genießen gehört auch immer das Ambiente. Wenn man dann das Essen als ein Erlebnis sieht, dann ist ein gutes Essen eines, bei dem man sich einfach wohlfühlt. Das kann eine urige Kneipe sein, die von außen nicht viel her macht, aber in der du dich wohl fühlst. Dann kann es auch ein ganz einfaches Mahl sein, das zum tollen Essen wird. In Berlin gibt es einen ganz tollen Russen mit einem tollen Borschtsch. Dafür lässt du alles stehen, auch wenn man das dem Restaurant von außen nicht ansieht. Mit so einem Essen meine ich eher nicht das Fünf-Gänge-Menü bei dem drei Kellner um mich rumspringen und viele wichtige Menschen an den Tischen sitzen. Davon bin ich eher kein Freund. Um dafür alles stehen und liegen zu lassen, sind mir das Ambiente und die Leute, mit denen man isst, weit wichtiger. Wenn das stimmt, sind mir deutsche Hausmannskost oder ein guter Italiener auch sehr recht. Und was auch wichtig ist: So ein gutes Essen muss Zeit haben. Manche Leute gehen gut essen, indem sie in ein Restaurant gehen, etwas bestellen, essen und trinken, bezahlen und wieder gehen. Alles gehetzt und irgendwie steif. Bei mir muss das Ruhe und Zeit haben. Ich möchte den Moment genießen und den Genuß mit Freunden teilen. Dafür kann es sich lohnen, alles stehen und liegen zu lasen.

 

Du hast eine der voluminösesten Stimmen des Ostrocks. Kennst Du die höchsten und tiefsten Töne die Du singen kannst?
Das wurde so nie gemessen oder so was. Und so genau hat mich das auch nicht interessiert. Ich habe beim Singen festgestellt, dass ich mit bestimmter Technik recht hoch hinaus komme. Ich hab schnell gemerkt, was ich kann und das auch bewusst ausgereizt. Allerdings war die Stimme zu Zeiten von "Bonbons und Schokolade" klarer und heller als heute. Ich sehe meine Stimme schon als Gabe. Im Lauf der Zeit ist die Stimme sicherlich etwas gereift, hat aber immer noch einen recht ordentlichen Umfang. Ich kann aus dem Hut nicht mal sagen, ob es dreieinhalb oder vier Oktaven sind, aber so wird das liegen. Andererseits ist der Stimmumfang kein Beleg dafür, dass jemand singen kann. Es gibt auch Leute mit kleinem Stimmumfang aber einer interessanten Stimmfärbung, die verdienen damit auch Millionen, wenn alles passt. Wenn einem ein großes Stimmvolumen gegeben ist und man das nutzen kann, hat man natürlich mehr Möglichkeiten.

 

Die Rockhausmusiker zählen gerade auch nach ihrer Rockhauszeit zu den erfolgreichsten und vielseitigsten Musikern, zumindest im Osten. Habt ihr euer Wissen und eure Erfahrungen eigentlich als Dozenten oder ähnliches an andere Musiker weitergegeben?
Wie das aktuell mit Reini, Beathoven und Maxe ist, weiß ich nicht. Heinz macht das wohl aktuell. Ich hab dafür nicht den Nerv. Ich hab das zwar mal versucht, bin aber kläglich gescheitert, weil ich dafür nicht die notwendige Ruhe habe. (Ich hab einen ganz anderen Mike Kilian erlebt. Mike antwortete mir über mehrere Stunden auf alle Fragen kreuz und quer durch seine Biografie und zum Thema Musik, gleich wie sie gestellt waren. Auf mich wirkte er konzentriert, engagiert und ruhig, wo es angebracht war. Vielleicht überlegt er sich das Thema gelegentlich noch einmal neu.) Gerade wenn da einer kommt und man merkt, der kann nicht singen. Ich bin dann halt nicht der..., der... (lacht schüchtern). Ich hab's dann aufgegeben und gedacht: Nee, Lehrer... (lacht). Ich denke, um Lehrer zu sein, muss man wohl auch der Typ dafür sein. Wie zum Beispiel Jäcki Reznicek, mit dem ich das Glück hatte, die Tour zu meiner ersten Solo LP zu spielen. Er hat ja in Dresden eine richtige Professur.

 

"Bleib cool" ist nach meiner Information von Lexi und KPaul gecovert worden. Kennst Du das Stück?
Nee, das sagt mir gar nichts. Aber wenn das so ist... Darum muss man sich dann mal kümmern. Einfach mal anhören.

 

Was hältst Du von der Musik, die man aktuell in den Medien angeboten bekommt?
Ich will da gar nicht so sehr schimpfen. Ich finde es gut, dass gerade in letzter Zeit viel deutsches läuft und Erfolg hat, wie Silbermond, Rosenstolz oder Tokyo Hotel zum Beispiel. Man darf einfach nicht vergessen, dass es hinter den Kulissen nicht nur um Musik, sondern um richtig viel Geld geht. Moderatoren und Redakteure stehen da unter enormen Druck, denn der Werbepartner will Zuhörer, die dran bleiben. Und der kleine A&R, der es nicht geschafft hat, ein Rockstar zu werden, sondern hinterm Schreibtisch gelandet ist, darf auch nicht viele Fehler machen und spielt natürlich auch gern mal seine "Macht" aus :-), doch da kann sich kaum einer einen Flop erlauben, beim zweiten gibt's den Brief auf den Tisch und er macht nicht mehr mit. Klar, dass man da lieber auf Nummer sicher geht, als Experimente zu machen. Das haben aber auch die Großen schon erlebt. Alanis Morissette zum Beispiel. Die ist mit ihren Tapes bei allen Plattenfirmen vom Hof gejagt worden. Bis dass Madonnas Label Maverick sich traute ... Ich glaube, es wird sowieso bald keine Plattenfirma in dem Sinne mehr geben. Die haben es einfach verpennt. Es wird neue Wege geben und das macht Hoffnung :-) Vielleicht ist man ein bisschen älter und ein bisschen weiser geworden, jedenfalls bin ich ein bisschen entspannter. Reg mich nicht mehr so sehr darüber auf, wer wann wie oft oder auch nicht im Radio läuft. Ist ja auch nur verschwendete Energie. Und da kommt man vielleicht auch wieder zu dem Spruch "Fordere viel von dir selbst..."

 

Das war eine regelrechte Mammuttour für Dich. Ich glaube, wir haben kein Thema vergessen. Für Deine Geduld und die offene Art mit uns zu reden und meine Fragen zu beantworten, bedanke ich mich ganz herzlich. Ich wünsche mir, dass Du in der nächsten Zeit in ganz vielen der angesprochenen Programme zu erleben bist, und dass es zu gegebener Zeit wieder etwas von Rockhaus zu berichten gibt. Dir wünsche ich alles erdenklich Gute für die aktuellen Sachen, volle Konzerte, genau die Angebote zu Projekten, die Du schon immer machen wolltest und dass dir der Spaß, den Du bei Deiner Musik hast, sehr, sehr lange erhalten bleibt.

 

 

Interview: Fred Heiduk
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Pressematerial und Privatarchiv Mike Kilian, Redaktion

 

 

 

 


   
   
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