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Schmier


Evolution & Degeneration

 

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Über Mangel an Beschäftigung kann Schmier dieser Tage wahrlich nicht klagen. Die relative Stille, die in den letzten Jahren um ihn und seine Band DESTRUCTION herrschte, scheint die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm gewesen zu sein, der sich nun in diesem Jahr Bahn bricht. Da war zum einen die Reanimation der legendären Band HEADHUNTER, die mit einem hochklassigen Comeback-Album für Aufsehen sorgte. Und noch während die Reunion-Wogen hochschlugen, befand sich Schmier schon wieder mit DESTRUCTION im Studio, um zum Jubiläum eine Platte einzuspielen, die die Band den berühmten "Schritt nach vorn" bringen sollte. Auch das ist gelungen, hält man sich die euphorischen und lobenden Kritiken vor Augen, mit denen "D.E.V.O.L.U.T.I.O.N." seit ihrem Erscheinen in der Presse bedacht wird. Dabei ist selbst die Tatsache, daß DESTRUCTION nun schon ein Vierteljahrhundert ihr Unwesen treiben, eher in den Hintergrund getreten, weil als Aufhänger schlicht nicht nötig. Das ist umso bemerkenswerter, als Jubiläen in der Regel meist zur Retrospektive genutzt werden und dazu, mit Live- oder Best of-Compilations erstmal eine ruhige und sichere Kugel zu schieben. Stattdessen wird im DESTRUCTION-Lager voll auf Offensive gesetzt, denn während ihr diese Zeilen lest, steckt die Band schon wieder mitten in den Vorbereitungen zu einer ausgedehnten Welttournee. Trotzdem fand Schmier "zwischendurch" dankenswerterweise noch Zeit, uns Rede und Antwort zu stehen und über 25 Jahre DESTRUCTION zu plaudern. Wie gewohnt nahm er dabei einmal mehr kein Blatt vor den Mund...
 

 

Hey Schmier, herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! Mensch, 25 Jahre... kannst du selber glauben, daß das schon wieder so lange her ist?
Nee, das kommt einem nicht so lange vor, denn Musik ist einfach ein schöner Zeitvertreib. Und wie es bei allen schönen Sachen im Leben ist - die gehen am schnellsten vorbei. Und so sind auch die Jahre mit DESTRUCTION nur so verflogen.
 
 

Eigentlich ist das ja ein bißchen Schmuh, denn genau genommen sind es doch gar keine 25 Jahre...
Ja doch! DESTRUCTION gibt es seit 25 Jahren!

 

...für dich schon gar nicht...
Nee, aber für DESTRUCTION schon!

 

...Fühlst du dich überhaupt als Jubilar?
Auf jeden Fall, denn ohne mich hätte es die Band nicht gegeben und mit mir hat sich die Band den Status erarbeitet, den sie heute hat. Außerdem habe ich ja weiter Musik gemacht, also fühle ich mich auch beteiligt. Ohne meine HEADHUNTER-Jahre wäre das DESTRUCTION-Comeback nicht möglich gewesen. Aber aufgelöst hat sich die Band nie! Es gibt immer wieder Leute, die behaupten, DESTRUCTION sei eine Reunion-Kapelle, was völliger Quatsch ist, denn die Gruppe hat die ganzen 25 Jahre lang existiert. Zwar nicht immer mit mir, aber Mike als Gründungsmitglied ist stets dabeigewesen. (Anm. kf: Nach dem Ausscheiden von Schmier 1989 entwickelte sich DESTRUCTION personell und musikalisch in eine völlig andere Richtung als die der klassischen Formation und fristete ein kaum bemerktes Dasein im Untergrund. Diese Phase von 10 Jahren gilt heute gemeinhin als Neo-DESTRUCTION und die drei CDs, die in dieser Zeit entstanden sind, werden nicht zum offiziellen Backkatalog gezählt - daher die Frage.)

 

Aber selbst auf eurer Homepage werden die Neo-DESTRUCTION-CDs als nicht zum offiziellen Backkatalog zugehörig geführt...
Das Problem ist, daß diese Platten niemand vertreibt. Es gibt sie nicht offiziell zu kaufen. Es finden aber immer neue Fans zu DESTRUCTION, die sich die alten CDs nachkaufen wollen und die dann vielleicht bei dubiosen Händlern Fantasiepreise für die nicht erhältlichen Neo-DESTRUCTION-Sachen bezahlen würden. Und dann enttäuscht wären, denn da spielen ganz andere Leute ganz andere Musik als die, die man mit DESTRUCTION in Verbindung bringt. Deshalb haben wir uns entschieden, dem von vornherein entgegenzuwirken.

 

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Auf jeden Fall habt ihr euch das beste Geburtstagsgeschenk selber gemacht: Eure neue Platte "D.E.V.O.L.U.T.I.O.N." hat das Zeug zum werdenden Klassiker. Wir nehmen mal an, du bist sehr zufrieden mit dem Album, oder?
Ja, man ist immer zufrieden, wenn man viel Arbeit in ein Album gesteckt hat und es endlich fertig ist, mit ein bißchen Luft dazwischen die ersten Journalisten kommen und es sehr gut bewerten. "D.E.V.O.L.U.T.I.O.N." hat überall super Kritiken bekommen, das freut einen natürlich. Wie zufrieden wir wirklich sein können, wird sich aber erst in ein paar Monaten erweisen, denn jetzt haben die Fans das Wort. Man kann schließlich noch so überzeugt sein, eine gute Platte gemacht zu haben - wenn sie letztendlich keiner kauft, hat man als Musiker nur noch halbsoviel Spaß daran... Wir haben ja alle keine Nebenjobs, sind also schon davon abhängig, daß sich die Scheibe auch verkauft. Auf der anderen Seite hat das Album meiner Meinung nach soviel Substanz, daß es sich sicher durchsetzen wird.

 

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Na, das meinen wir aber auch! Immerhin hat es bei uns schon geklappt und das ist keineswegs selbstverständlich...
(lacht) Hahaha, super!

 

DESTRUCTION 2008 kommt melodischer und abwechslungsreicher daher als jemals zuvor. Habt ihr euch bewußt neu erfunden oder woher rührt dieser Richtungswandel?
Man versucht immer wieder, die Elemente, die eine Band ausmacht, zu analysieren, zu fokussieren und zu konzentrieren. Diesmal war von Anfang an klar, daß die Platte alles beinhalten sollte, wofür DESTRUCTION steht. Wir hatten in unserer Geschichte schon mehrere Phasen, eine thrashige, eine progressive usw. Das haben wir alles in die Waagschale geworfen, um ein umfassendes Destruction-Werk zu kreieren. Und das ist uns auch gelungen! Dadurch ist "D.E.V.O.L.U.T.I.O.N." abwechslungsreicher und tiefgängiger geworden, in Verbindung mit dem Songwriting, den Texten und allem Drumherum auch heavier und düsterer. Das hat alles gut zueinander gepaßt.

 

Inwieweit hängt das mit dem Wiederaufleben von HEADHUNTER zusammen? Einige Songs hätten ja durchaus auch auf "Parasite Of Society" stehen können...
(zweifelnd) Najaaaa... also ich sehe da schon grundlegende Unterschiede, nicht zuletzt deshalb, weil die verschiedenen Musiker, mit denen ich in beiden Bands zusammenarbeite, unterschiedliche Stile haben. Sicher vereint mein Gesang und meine Art, Songs zu schreiben, einiges, aber es ist schon so, daß die Destruction-Stücke komplexer sind und weniger Rock'n Roll haben als die von HEADHUNTER. Dennoch war die HEADHUNTER-Reunion sehr wichtig, weil ich da meine Metal-Wurzeln mehr ausleben konnte und bei der Produktion auch wieder dazugelernt habe, zum Beispiel, daß mein Gesang am besten funktioniert, wenn Platz dafür ist. Bei den letzten Destruction-Alben war meine Stimme immer sehr in die Riffs und Songstrukturen eingebettet, während ich bei Headhunter plötzlich viel mehr Freiraum hatte, meinen Gesang variabler zu gestalten. Das tut jedem Sänger gut und davon hat auch DESTRUCTION profitiert.

 

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Überhaupt: Du bist so kreativ wie selten gewesen in diesem Jahr. Erst die hochklassige Comeback-CD von HEADHUNTER, jetzt ein nicht minder hochwertiges DESTRUCTION-Werk. Woher nimmst du diese Menge an Energie?
Das Leben treibt mich dazu. Rock'n Roll ist mein Aufbegehren gegen die 08/15-Gesellschaft. Mir geht's dann am besten, wenn ich Musiker sein darf. Ich könnte garantiert noch kreativer sein, da gibt es noch Luft nach oben. Ich freu mich auf neue Herausforderungen.

 

In welcher Weise unterscheiden sich die Arbeitsweisen von HEADHUNTER und DESTRUCTION und wo gibt es Gemeinsamkeiten?
Also, Gemeinsamkeiten gibt es da fast keine. Bei HEADHUNTER ist alles eher "just for fun", laßt uns mal machen und schauen, was passiert. Bei DESTRUCTION wird mehr geplant, mehr geprobt und mehr darauf geachtet, daß auch alles paßt. Bei HEADHUNTER ist das egal, da könnten wir, wenn uns danach ist, auch eine hawaiianische Ballade spielen und keiner würde uns das krumm nehmen. (Blendende Idee! Bitte unbedingt für's nächste Album vormerken! - Anm.d.Verf.) Auch im Studio unterscheiden sich die Herangehensweisen grundlegend. Bei HEADHUNTER ist alles mehr Rock'n Roll und kleine Fehler oder Unreinheiten werden mit Absicht draufgelassen, um den Spirit zu erhalten. DESTRUCTION hingegen muß tight sein, bei so extremer Musik ist ein genaues Zusammenspiel unerläßlich, um die Härte bestmöglich zu fokussieren.

 

Der Sound von "D.E.V.O.L.U.T.I.O.N." ist erdiger und organischer als man das bisher von euch kannte. War das gewollt? Habt ihr deshalb den Produzenten gewechselt?
Das war die Maxime! Wir haben bei den letzten Alben schon immer versucht, dem Live-Sound der Band so nahe wie möglich zu kommen. DESTRUCTION live hatte aber immer etwas mehr Rock'n Roll als auf Tonträger, weil es im Studio stets darum ging, harte Musik möglichst hart klingen zu lassen. Dadurch war das stets etwas klinisch, hatte zuwenig Luft zum Atmen und war vollgestopft bis Oberkante Unterlippe. Mit Jakob (Hansen, Produzent - Anm.d.Verf.) kam ein frischer Mann ins Spiel, mit dem wir weiter in Richtung Live-Sound arbeiten wollten und das hat auch sehr gut funktioniert. Wir waren von Anfang an fest davon überzeugt, daß er der richtige Mann dafür ist und das Ergebnis gibt uns im Nachhinein recht. Jeder, der bisher mit uns über "D.E.V.O.L.U.T.I.O.N." gesprochen hat, hat den Sound der Platte positiv hervorgehoben und wir sind ebenfalls sehr glücklich damit.

 

Obwohl die CD mehr als amtlich aus den Boxen dröhnt, gibt es Stimmen, die euch vorwerfen, euch zu sehr von der Basis entfernt zu haben. Mancher möchte euch wohl immer noch lieber mit Rumpelsound und eingesprochenen Vocals hören wie anno dazumal. Hast du für solche Ansichten Verständnis und wie gehst du damit um?
Es liegt in der Natur des Menschen zu glauben, daß früher sowieso alles besser war. Wenn man einmal einen Klassiker im Repertoire hat, darf sich nichts mehr ändern, sondern muß für alle Zeit genauso bleiben. Einerseits kann ich das verstehen, andererseits kann ich mich dagegen auch nicht wehren. Wir machen unser Ding und haben es schon immer gemacht. Wir hätten damals nie so extreme Musik machen können, wenn wir auf Außenstehende gehört hätten... Darum ziehen wir das auch weiter durch. Ich denke, wir haben es als eine der wenigen Bands der alten Schule geschafft, unseren Weg durchzuschlagen und haben in den letzten 10 Jahren eine Menge junger Fans hinzugewonnen. Das ist schon beachtenswert. Natürlich wird es immer Leute geben, die an alten Zeiten hängen und wollen, daß wir immer noch so klingen, wie 1985. Denen muß ich dann entgegenhalten, daß sie sich halt die alten Platten anhören sollen, statt über die neuen zu motzen. (lacht)

 

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Ihr habt die Platte im "dänischen Niemandsland" aufgenommen. Welchen Einfluß hatte der Aufnahmeort auf eure Stimmung und letztlich auf das Ergebnis?
Es ist immer gefährlich, wenn du beim Aufnehmen zuviel Ablenkung hast. Dann bist du mehr am Feiern und weniger fokussiert. Aber dieser Ort war ziemlich krass, denn da gab es halt überhaupt nichts. War schon ein wenig erschreckend... Doch genau dadurch konnten wir uns auf die Arbeit konzentrieren und das war auch gut so. Wir haben ja nicht monatelang da zugebracht, sondern nur wenige Wochen. Es hat uns und der Sache gutgetan, uns in der Einöde nur mit dem Wesentlichen zu befassen zu können. Ich würde das auch jederzeit wieder tun, aber dann müßte Jakob mir ein besseres Bett kaufen, denn das ging gar nicht, hehehe...

 

Waren eure Gäste auch dort oder wie sind deren Parts auf die Platte gekommen?
Nee, das läuft heutzutage recht einfach ab. Die meisten Musiker arbeiten mit ProTools oder Q-Base oder haben ein Studio um die Ecke und über das Internet kann man sich die Files problemlos hin- und herschicken. Ohne dies wären solche Gastauftritte finanziell gar nicht machbar.

 

Wie ist die Mitarbeit von Vinnie Moore (UFO), Gary Holt (EXODUS) und Jeff Waters (ANNIHILATOR) überhaupt zustandegekommen? In welcher Beziehung stehen sie zu DESTRUCTION?
Cool war vor allem Vinnie Moore, weil der ja nicht so aus der harten Ecke kommt, sondern mehr ein klassischer Gitarrist ist. Wir lernten uns auf der Musikmesse Frankfurt kennen, weil wir denselben Gitarren-Endorser haben. So sind wir ins Gespräch gekommen. Ich erzählte ihm, daß wir Jubiläum haben und an einer Platte arbeiten. Er meinte gleich, daß er das cool findet und einige Sachen von Destruction kennt. Ich sagte: "Willst du nicht ein Solo drauf spielen, oder ist dir das zu hart?" Und ein Wort ergab das andere... er war echt gut drauf. Insgeheim dachte ich, daß er das bestimmt nicht ernst meint und so... aber der Kontakt blieb tatsächlich bestehen und er hat es gemacht. Die anderen beiden kommen musikalisch aus unserem Genre und sind fantastische Gitarristen. Wir kennen uns schon lange und sind gute Freunde. Und wir haben es uns einfach gegönnt, zwei der geilsten Gitarristen auf unser Album einzuladen. Sie haben freudig zugestimmt und hatten auch viel Spaß dabei.

 

Auch Harald Wilkens (früherer zweiter Gitarrist von DESTRUCTION) ist erneut mit von der Partie. Er scheint also noch immer zur Familie zu gehören, oder?
Auf jeden Fall! In den letzten Jahren haben wir mit den alten Problemen aufgeräumt und sie aus der Welt geschafft. So ist wieder ein gutes Gefüge entstanden, die alten Jungs kommen uns hin und wieder beim Proben besuchen oder zu Konzerten, es herrscht eine streßfreie Atmosphäre. Harry hatte einfach Bock drauf, obwohl es nicht leicht für ihn war, da er kaum noch Gitarre spielt und im Job voll ausgelastet ist. Aber er kann's definitiv noch! Wir hatten ihn vor kurzem auch bei uns auf der Bühne, das hat voll Spaß gemacht. Es ist einfach schön, wenn man ohne Ärger zurückblicken kann und die Band nun auch mit den ehemaligen Mitgliedern eine große Familie darstellt.

 

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Hätte man aus Anlaß des Jubiläums nicht auch die anderen "Ehemaligen" dazuholen können? Habt ihr darüber nachgedacht?
Ja, aber das ist nicht so einfach. Man hätte zum Beispiel für jeden Schlagzeuger einen Extra-Song reservieren müssen, was sehr aufwendig gewesen wäre. Und machen wir uns nichts vor: Unser aktueller Schlagzeuger Marc ist unschlagbar, da hätte es den Ex-Drummern eh nicht viel gebracht. Bei Gitarristen oder Sängern ist das was anderes, die kann man leichter einbauen. Wir hatten aber letztes Jahr in Wacken so etwas auf die Beine gestellt, da waren alle Ex-Mitglieder am Start und wir haben teilweise mit drei Schlagzeugen gespielt, das war ziemlich cool. Das kommt nächstes Jahr übrigens auf DVD heraus, so daß für die Nachwelt etwas davon hängenbleibt.

 

Die neue CD gibt es in drei Varianten: Als Standard-CD, als limitiertes DigiPak mit diversen Extras und als Vinyl-LP im Gatefold-Cover. Außerdem gibt es noch ein prall gefülltes Fan-Package (mit Rucksack, DigiPak-CD, Autogrammkarte, Patch usw.), das mit 70 Euro allerdings auch prall im Preis daherkommt...
Wenn man bedenkt, daß eine Tasche normalerweise schon 30 Euro kostet, eine CD 15 und man somit bei einer Tasche und zwei CDs schon bei 60 Euro ist, relativiert sich das. Die meisten Mailorders bieten das Package schon für unter 60 Euro an. Und wenn man weiß, daß da auch noch ein Gürtel drin ist, der alleine schon 20 Euro kosten würde, ist das eigentlich mehr als fair. Das Problem ist nur, daß das Package nicht rechtzeitig fertiggeworden ist und nicht in den Läden steht. Das ist sehr ärgerlich, da es zwar eine limitierte Auflage ist, aber trotzdem zur Erst-Edition dazugehört und jetzt viele Fans drauf warten, es aber nicht bekommen. Da könnte ich ehrlich gesagt mal so richtig in die Ecke kotzen... Da hat die Plattenfirma versagt, weil sie nicht bedacht hat, daß diverse Vertriebswege zu Problemen führen könnten. Ein chinesischer Flaggen-Händler hat Pleite gemacht, die Patches wurden falsch bedruckt, zigtausende Fehldrucke! Das ärgert mich unglaublich, aber ich bin da wieder mal nur der Musiker, der nichts daran ändern kann.

 

Wir wollten eigentlich auf etwas anderes hinaus: Ist das nicht ein bißchen viel Kommerz für eine Band wie DESTRUCTION, die für ihre Basisnähe und Fanfreundlichkeit bekannt ist?
Es ist doch so: Wenn wir die Scheibe nicht als Vinyl herausbringen, köpfen uns alle Old-School-Fans. Das DigiPak ist für Leute gedacht, die halt etwas Spezielles wollen mit ein bißchen Bonus-Kram. Und weil da mehr drauf ist, kostet es in der Herstellung zwei Euro mehr und damit natürlich auch im Handel. Für Leute, die sich das nicht leisten können, gibt es die Normal-Version zum Normal-Preis. Das sehe ich als fair an. Schlimmer wäre es, wenn man das alles nacheinander anbieten würde und den Leuten damit die Entscheidungsfreiheit raubte. So ist es halt der ganz normale Marktwirtschafts-Wahnsinn, das muß man schon anbieten heutzutage.

 

Werdet ihr in solche Marketing-Entscheidungen einbezogen?
Ja, wir sind da mit einbezogen. Ich würde niemals nur eine normale CD anbieten. Wie gesagt: Dann stürmen mir die Vinyl-Liebhaber mein Message-Board und beschweren sich, daß es das Album nicht auf Schallplatte gibt. So aber kann jeder entscheiden, was er haben möchte. Das ist fair. Im Gegensatz zu der Praxis, daß sich Leute, die eine CD gekauft haben, diese nach einer Weile nochmal zulegen müssen, weil da eine neue Variante mit drei Bonustracks auf den Markt kommt. DAS ist nicht in Ordnung und wird bei uns niemals stattfinden.

 

Wie kam es eigentlich zu der genialen Idee, den Albumtitel aus den Anfangsbuchstaben der Songtitel zusammenzusetzen?
Das nennt sich "Acrostic" und ist eine aus der griechischen Mytholgie stammende Geschichte, die ich schon immer ganz cool fand. Da wurden ganze Gedichte in der Art geschrieben. Mir schien es der richtige Weg zu sein, das Thema des Albums zu verdeutlichen und dabei das Wort "Konzeptalbum" zu vermeiden. Es paßt auch gut zum Artwork und macht das Ganze noch etwas düsterer.

 

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War das nicht eine furchtbar komplizierte Frickelei, die dynamische Songreihenfolge mit den passenden Titeln und dem Begriff "Devolution" in Einklang zu bringen?
Ich sag mal so: Es geht auch einfacher... (lacht). Aber wir wollten halt etwas Spezielles haben für unsere Jubiläumsscheibe. Es sollte alles schlüssig und durchstrukturiert wirken und zeigen, daß wir uns echt Gedanken gemacht haben. Hätte auch ins Auge gehen können, wenn wir dadurch z.B. mit dem schwächsten Song der Platte hätten anfangen müssen, hehehe... Aber es ist ganz gut geworden, denk ich. (lacht)

 

Womit beschäftigt sich das Album inhaltlich? Was bedeutet das Wortspiel "Devolution"?
Was ich mich schon seit Jahren frage ist, wieso bei der enormen technischen Entwicklung, die der Mensch in den letzten Jahren durchgemacht hat, die Menschlichkeit so dermaßen auf der Strecke geblieben ist. Egal wo ich hinkomme, überall sehe ich Service und Freundlichkeit vor die Hunde gehen, es geht nur noch ums Geldmachen. Das habe ich in diversen lebensnahen Texten versucht zu verarbeiten. Die Evolution der Menschheit geht mit ihrer Degeneration einher. Bald werden wir alle nur noch von Computern abhängen. Keiner wird mehr eine Landkarte lesen können, weil jeder GPS und Navi hat... nur mal als Beispiel. Also eigentlich entwickeln wir uns zurück zu Höhlenmenschen, auch bezüglich der Art und Weise, wie wir uns gegenseitig behandeln. Darum geht es in den meisten Texten.

 

Würdest du DESTRUCTION als "politische Band" einstufen?
Nein, aber als sozialkritische. Ich drücke halt meine Meinung aus, lasse aber dem Hörer Interpretationsspielraum. Es geht zwar oft um negative Themen, aber ich bin trotzdem keiner, der alles in Grund und Boden schreibt. Es gibt in meinen Texten auch viel Augenzwinkern und positive Messages.

 

Das Artwork ist einmal mehr sehr gelungen. Aussagekräftig, detailverliebt aber zum Teil auch ziemlich krass. Wirkt wie eine heftigere Fortsetzung des "Parasite Of Society"-Konzepts von HEADHUNTER, zumal es ja auch der gleiche Künstler ist. Erzähl uns bitte mal etwas zu Gyula Havancsak. Wie bist du auf ihn aufmerksam geworden? Sind die Bilder extra für HEADHUNTER und DESTRUCTION entstanden oder hast du aus vorhandenen ausgewählt?
Die Bilder sind extra für uns entstanden. Gyula ist ein Supertalent, das ich rein zufällig entdeckt habe und mit dem ich mich von Anfang an sehr gut verstanden habe. Er hat schon einmal für uns gearbeitet, auf der "Inventor Of Evil"-Scheibe, und das hatte auch schon super funktioniert. Ich habe schnell gemerkt, daß er voll auf meiner Wellenlänge liegt, was gewisse visuelle Umsetzungen anbelangt, seine Einstellung und auch seine Musik, denn er ist selber Musiker. Wir konnten uns super austauschen und ergänzen. Ich habe ihm die Texte geschickt und dazugeschrieben, welche Richtung ich mir etwa vorstelle und er hat das immer nicht nur sehr gut, sondern auch noch sehr schnell umgesetzt, das war schon sehr beeindruckend. Deshalb war es für mich auch keine Frage, ihn nach der HEADHUNTER-Sache auch in Sachen DESTRUCTION noch einmal zu Rate zu ziehen, selbst auf die Gefahr hin, daß sich beides ein bißchen ins Gehege kommt. Andererseits wußten wir schon, daß die DESTRUCTION-Geschichte noch wesentlich kranker und düsterer werden würde als HEADHUNTER... Auf jeden Fall ist der Typ phänomenal, macht nicht alles am Computer sondern malt auch selber und kriegt vom Comic bis zu klassischen Sachen alles hin. Ein echter Vollblutkünstler.

 

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Wird es spezielle Live-Shows zum Jubiläum geben oder inwieweit wird der 25. Geburtstag der Band in eure sicherlich wieder ausgedehnte, weltweite Tourneeplanung einbezogen?
Wir haben schon darüber nachgedacht, ob wir nicht einen speziellen Jubiläumsgig machen sollen... Andererseits haben wir eine Tour vor uns, die uns rund um den Globus bringt. Das ist eigentlich viel besser. In drei Wochen geht es bereits los. Ende November ist dann Europa dran, bis ins nächste Jahr hinein. Ich freu mich drauf, mal wieder Headliner zu sein, solange spielen zu können, wie ich will und auch ausschließlich für MEINE Fans spielen zu können, alte Klassiker und coole neue Songs. In den letzten zwei Jahren haben wir fast nur Festivals im Programm gehabt, da tritt man in der Regel eine Stunde auf, hat keine Zeit und hetzt nur herum. Gehört natürlich auch dazu, ist auf Dauer aber nicht die Erfüllung. Deshalb sehe ich der eigenen Tour jetzt mit viel Vorfreude entgegen.

 

Woran liegt es eigentlich deiner Meinung nach, daß DESTRUCTION weltweit einen so guten Ruf genießt? Fühlst du dich in gewisser Weise als "Kulturbotschafter"?
Eins werde ich nie vergessen: Als wir in Madrid auf einem Festival mit U.D.O. und Doro gespielt haben, kam der deutsche Kultur-Attaché, rief uns zusammen und hielt eine Rede. Er betonte, daß die Deutschen eigentlich gar nicht wissen, was ihr Exportschlager Nummer Eins ist. Alle denken da an Autos, Technik usw., aber kaum jemand realisiert, wieviel der deutsche Heavy Metal, auf den innerhalb der nationalen Musikszene eher hochnäsig und abwertend herabgeschaut wird, weltweit für deutsche Kommunikation und Zwischenmenschlichkeit getan hat. Das sehe ich ebenso. Wenn man bedenkt, daß beispielsweise die SCORPIONS erst in Japan und den USA erfolgreich sein mußten, um im eigenen Land Anerkennung zu finden, sagt das viel über die Befindlichkeiten in Deutschland aus. Genauso ist es bei DESTRUCTION. Wir waren zwar immer eine sehr extreme Band, haben es aber geschafft, mit unserer Musik in vielen Ländern aufzutreten, wo "normale" deutsche Künstler niemals hinkommen würden. Israel, Kolumbien und andere Länder, in die man nichtmal zum Urlaub möchte. Wir waren eine der ersten deutschen Metal-Bands, die in der Türkei gespielt haben, zu einer Zeit, als Heavy Metal Fans dort noch verfolgt wurden... Ich denke schon, daß man uns als Botschafter sehen kann, obwohl ich mit dem Wort "Kultur" schon wieder meine Probleme habe. Auf jeden Fall bringen wir ein Stück deutsche Zeitgeschichte in die Welt hinaus.

 

Anderes Thema: Du warst unlängst in der SWR-Freitag-Nacht-Talkshow "Nachtcafé" unter der Überschrift "Mannsbilder" zu Gast. Wie sind die Macher der Sendung ausgerechnet auf dich gekommen? Und was hat dich dazu bewogen zuzusagen?
Wie sie auf mich kamen, weiß ich nicht. Wahrscheinlich eilt mir mein schlechter Ruf voraus... (lacht) Die wollten halt einen Freak für die Sendung haben, einen, der nicht zu den anderen Gästen (u.a. Tagesschau-Sprecher Marc Bator, Schauspieler August Schmälzer, Männermodel Johannes Huebl und Penthouse-Chefredakteur Kurt Molzer - Anm.d.Verf.) paßt und für Kontroversen sorgt. Mein Ex-Label Nuclear Blast rief mich seinerzeit an und teilte mir mit, daß Interesse an meiner Person bestünde. Ich habe mir die Sendung daraufhin einmal angeschaut und sie wirkte seriös. Da dachte ich mir: 'Wieso eigentlich nicht?' Das Ganze war dann zwar doch ziemlich hüftsteif, hat aber trotzdem Spaß gemacht und war mal etwas anderes.

 

Wie siehst du diese Erfahrung im Nachhinein? Wir konnten uns des Eindrucks nicht erwehren, daß Gastgeber Wieland Backes dich nicht ganz als vollwertiges Mitglied der menschlichen Rasse betrachtet hat...
Das kam mir allerdings auch so vor!

 

...und dir immer dann das Wort abschnitt, wenn du dabei warst, dich nicht seiner vorgefaßten Meinung entsprechend zu verhalten...
(lacht) Hahaha... ja, das hab ich schon während des Vorgesprächs bemerkt, daß der Herr Backes mit mir ein Problem zu haben schien. Ich mußte während der gesamten Sendung darum kämpfen, auch mal zu Wort zu kommen. Am Schluß allerdings stand Backes mit seiner Meinung ziemlich alleine da, das fand ich ganz cool.

 

Es dürfte kein Zufall gewesen sein, daß man dich erstens ganz nach außen und zweitens direkt neben Comedian Bernhard Hoëcker plaziert hat, oder? Das Kalkül ist aber zu unserer Freude grandios in die Hose gegangen...
(lacht herzhaft) Hehehe...

 

Einer unserer Leser möchte sogar wissen, wann für euch beide die Hochzeitsglocken läuten, harhar... (Hintergrund: Auf die überaus entlarvende Frage des Moderators, wie Hoëcker sich neben "so einem" fühle, antwortete dieser, er habe noch nie neben einem Mann gesessen, der so gut riecht und outete sich zum allgemeinen Erstaunen zudem gleich noch als interessierter Heavy Metal-Hörer.)
(Immer noch lachend) Ich denke, das war eine sehr geile Kombi, von der wohl keiner gedacht hätte, daß sie so gut funktioniert. Ich muß sagen, ich hatte über Hoëcker zuvor schon sehr gute Dinge gehört und er hat seinem Ruf entsprochen, war superwitzig und sehr smart. Ich habe anschließend soviele Emails und Einträge bekommen wie selten, da standen so Sachen drin wie "Du riechst so gut" und ähnliches, das sich auf das bezog, was Hoëcker gesagt hatte. Das war der Schenkelklopfer schlechthin, sehr amüsant. Ich denke auch, daß die Sendung ohne Hoëcker keinen Spaß gemacht hätte. In der ersten Stunde ist kaum etwas passiert, man ließ mich nicht zu Wort kommen und ich bin zweimal aufs Klo gerannt (Einmal übrigens direkt durch's Bild, hihihi... - grinsende Anm.d.Verf.), weil das unsägliche Wasser, das sie uns dauernd eingetrichtert haben, fürchterlich auf die Blase drückte. Hoëcker raunte mir jedesmal zu: "Nein, geh nicht! Das kannst du während der Sendung nicht machen." Aber was raus muß, muß raus. Und jedesmal, wenn ich zurückkam, mußte man mir wieder das Mikro ranfummeln. Der Aufnahmeleiter ist fast verzweifelt, das fand ich sehr lustig...

 

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Gast warst du im Mai noch woanders, nämlich auf dem Album "Bloodline" von PERZONAL WAR, für das du auch Werbung gemacht hast. Was verbindet dich mit dieser Band und wie hat dir die Rolle als Gastsänger gefallen? Und wie findest du den Song "Two Borders"?
Ich bin mit den Jungs sehr gut befreundet, sie haben uns auf der "Inventor Of Evil"-Tour supportet. Nette Kerle und eine gute Band, leider total unterbewertet. Sie machen sehr geile Musik, eine Mischung aus RAGE und METALLICA, haben aber nie so richtig den Durchbruch geschafft. Als sie mich gefragt haben, ob ich als Gast mitmachen würde, hab ich gleich zugesagt. War eine schöne Geschichte. Ich bin dahin gefahren, habe meine Vocals beigesteuert und anschließend haben wir ein paar Bierchen gezischt und ein bißchen gefeiert. Der Song ist toll geworden, finde ich.

 

Wir fragen deshalb, weil sich das Stück schon ein bißchen nach DESTRUCTION anhört...
Ja stimmt, irgendwie klingt der nach Destruction. Sehr merkwürdig, hahaha...

 

Laß uns mal 25 Jahre zurückreisen. Wie kam es dazu, daß du Musiker wurdest? Wo liegen deine Wurzeln?
Die Jungs hatten damals keinen Bassisten und haben mich dazu überredet, Bassist zu werden. So habe ich mich in die Sache hineingearbeitet. Heavy Metal war sehr wichtig für mich, Musiker werden wollte ich aber eigentlich nicht und hatte eine ganz normale Lehre angefangen gehabt. Allerdings hatte DESTRUCTION dann sehr schnell sehr viel Erfolg und dadurch war ich mit im Boot. Das war nicht geplant, sondern eher Zufall.

 

Erzähl uns bitte etwas über die Gründung von DESTRUCTION.
Es gab damals noch keine Szene, als sich die ersten Bands gründeten. Es existierten keine Verbindungen, Neuigkeiten erfuhr man kaum, der Metal Hammer als erste Genre-Zeitschrift kam erst 83 oder 84. Die Langhaarigen haben sich in Diskotheken getroffen und zu RAM JAM und "Smoke On The Water" (DEEP PURPLE) gebangt. Die Heavy-Runden dauerten so etwa eine halbe Stunde und dafür sind wir kilometerweit durch die Gegend gefahren. So haben wir uns kennengelernt, eine Handvoll Leute. Und diese Handvoll Leute hat dann DESTRUCTION gegründet, was gleichbedeutend mit der Gründung der Heavy Metal Szene in unserer Gegend war. Aber nur so aus Spaß an der Freude, es gab nicht viele Headbanger bei uns. Wir hingen also immer zusammen. Mike hat damals schon Gitarre gespielt und so hat alles angefangen.

 

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Woran oder an wem habt ihr euch musikalisch orientiert? Oder anders gefragt: Wie habt ihr euren doch sehr speziellen Sound entwickelt? Thrash Metal befand sich ja bestenfalls in der Entstehungsphase...
Eigentlich gab es ihn überhaupt noch nicht. Kurz vor unserem ersten Demo kam die erste METALLICA-Scheibe heraus. Es war schon so, daß die ersten Einflüsse noch anderer Natur waren. Ich bin mit den alten englischen Sachen großgeworden, JUDAS PRIEST oder UFO. Wir wollten jedoch schon immer etwas weiter gehen. Meine Lieblingssongs waren immer die schnellsten. Davon gab es wenige, meistens war der erste Song jeder Heavy Metal Platte schnell und der Rest war eher gediegen. Ich habe mir dann meine eigenen Sampler zusammengestellt und die schnellsten Songs jeder Platte dafür verwendet. Die haben wir gehört und dazu gebangt. Für mich war klar: Wenn wir unsere eigene Band haben, muß das die Richtung sein: Alles schnelle Songs. Großen Einfluß hatte auch die englische Punk-Szene. Diese Musik war sehr schnell, laut, aggressiv und hart und daran haben wir uns ebenfalls orientiert.

 

Hat es euch überrascht, wie rasant ihr vom Geheimtip zu Kultstars aufgestiegen seid? Schon eure ersten Demos sorgten für massives Aufsehen und die erste offizielle EP "Sentence Of Death" hat euch sofort etabliert, die folgende LP "Infernal Overkill" wurde frenetisch gefeiert...
Das war schon krass. Ich werde nie vergessen, wie wir zu den Aufnahmen der zweiten LP nach Berlin kamen. Ich habe mir den neuesten Metal Hammer gekauft und da war der Jahres-Poll drin. Natürlich habe ich nicht ernsthaft daran gedacht, daß wir da mit dabeisein könnten. Aber dann standen wir da auf einmal als "Newcomer des Jahres", ich war "Newcomer-Bassist des Jahres"... Wir hatten voll eingeschlagen! Das hat uns schon sehr überrascht. Wir waren ja eigentlich nur die Heavies vom Lande, die sehr jung sehr viel Krach gemacht haben und hätten nie gedacht, daß das so gut ankommt. Unglaublich! Ich denke, das lag an der Symbiose aus extremer Musik und extremem Outfit.

 

Wie sah die Szene damals aus, gab es schon Strukturen und welche? Oder war alles eher Chaos und Abenteuer?
Eher letzteres, von Strukturen kann man nicht sprechen. Durch den Metal Hammer ging das erst los, dann kam das "Monsters Of Rock" als lange Zeit einziges Festival. Da war noch nichts mit großartigen Meeting-Points, es gab ja auch kaum Diskotheken, in denen Heavy Metal gespielt wurde. Und zu allem Übel hat sich die junge Szene auch gleich wieder aufgespaltet in die ganz harten und die Poser. Da wurden bereits die ersten Schubladen aufgemacht.

 

Damals schon?
Ja. Die ersten Scheiben von MÖTLEY CRÜE waren erschienen und in Deutschland kamen ebenfalls Bands heraus, die auf der kommerzielleren Schiene fuhren, z.B. BONFIRE oder AXXIS. Die haben für ihre Verhältnisse auch einen Haufen Platten verkauft und dadurch eine Menge Nachahmungstäter auf den Plan gerufen. Auf der anderen Seite waren die ganzen harten Bands, die ihrerseits auch nicht schlecht verkauften. So war man entweder Poser oder Thrasher und dazwischen gab es nichts mehr. Später hat sich das dann immer mehr aufgeteilt... Mittlerweile gehe ich mit den Posern einen saufen, wenn ich sie treffe. Die sind schließlich genauso lange dabei wie wir. Aber damals war das schon eine recht komische Szene, die mit ihrer Selbstfindung zu tun hatte.

 

Gab es neben dem großen nationalen Echo auch bereits ein internationales?
Ja. Wir hatten das große Glück, daß unsere Platten über diverse Vertriebswege bereits von Anfang an in die Welt hinausgingen. Schon die erste EP "Sentence Of Death" erschien in den USA. Ich denke, es hat uns über all die Jahre am Leben erhalten, daß wir uns von Anfang an weltweit unsere Fans erarbeiten konnten. Beschränkt man sich nur auf die eigene Szene, ist es sehr schwer, solange zu überleben.

 

Wenn man sich heute anschaut, was ihr damals verkörpert habt, wirkt vieles unfreiwillig komisch. Euer Outfit mit den Pudelfrisuren und Patronengurten, die teuflischen Inhalte eurer Songs... Wie stehst du heute dazu?
Ach, ich denke da kann man stolz drauf sein. Wer auf 25 Jahre alte Fotos von sich schaut und dabei nicht lachen muß, der ist nicht ehrlich. Jeder hat vor so langer Zeit mal komisch ausgesehen und komisch angefangen. Das war halt der Zeitgeist, wir wollten so extrem sein wie möglich. Was dabei herausgekommen ist, sieht heute ein bißchen lustig aus, ist aber trotzdem Kult geworden. Heute würde ich mir so eine Hosenpelle nicht mehr anziehen, meine aber, daß ich auf meine Art dennoch extrem geblieben bi

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Bereits auf der zweiten LP "Eternal Devastation" habt ihr euch sowohl musikalisch als auch inhaltlich verändert. Die Musik wurde anspruchsvoller, die Texte realistischer und kritischer. Was führte zu dieser Entwicklung?
Wenn man anfängt, Musik zu machen, hat man andere Ideale. Da will man anecken und crazy sein. Man wächst aber als Künstler und damit ändern sich auch die Themen. Anfangs ging es um Horror und böse sein. Später hat man vielmehr überlegt, was und worüber man schreibt. Das ist ein ganz normaler Prozeß, der auch mit der Musik einhergeht.

 

"Eternal Devastation" war auch der Endpunkt der Urbesetzung von DESTRUCTION, das Personalkarussell begann sich zu drehen. Drummer Tommy Sandmann nahm seinen Hut, wurde temporär durch Chris Witchhunter (R.I.P.) von Sodom ersetzt, bevor Olly Kaiser den Hocker übernahm. Außerdem kam mit Harry Wilkens ein zweiter Gitarrist hinzu. Was waren die Ursachen für die personellen Veränderungen und wie veränderten sie das Bandgefüge?
Die Veränderungen waren einerseits ganz gut für die Band, weil wir dadurch profesioneller arbeiten konnten. Andererseits haben die neuen Mitglieder auch das Umfeld und die Musik geprägt, was dann später zum Split führte. Viele Köche verderben den Brei, diese klassische Weisheit traf bei uns zu. Natürlich haben wir uns erstmal musikalisch verbessert, wir sind weitergekommen und haben uns entwickelt. Das ist auch OK, aber eine Band darf sich nicht ihr eigentliches Ziel entreißen lassen. Wenn man sich zu weit von seinen Wurzln entfernt, ist das nicht gut. Und bei uns ist genau das passiert.

 

Nach der EP "Mad Butcher" kam das Album "Release From Agony", das musikalisch noch einen großen Schritt weiter ging, was nicht überall auf ungeteilte Zustimmung traf. Auch du selbst sollst, wie man hört, nicht so glücklich mit der Scheibe gewesen sein...
Sie hat ihre Momente und der Mut zum Extremen beeindruckt mich auch heute noch. Für viele Death Metal Bands war "Release From Agony" die Kultplatte, weil sie extreme Musik mit extremer Musikalität verbunden hat. Für mich als Sänger war das aber eine Katastrophe, weil es mich total eingeengt hat. Es waren keine richtigen Harmonien mehr da, es war nur noch Gefrickel. Trotzdem war die Scheibe wichtig für unsere Historie. In Japan war sie unser erfolgreichstes Album überhaupt. In Europa dagegen ist sie sehr kritisch bewertet worden. Im Rock Hard war sie die Enttäuschung des Jahres aber auch die zweitbeste Platte des Jahres. Daran sieht man, wie kontrovers "Release From Agony" aufgenommen wurde.

 

Dennoch war die Band offensichtlich noch intakt und spielfähig, wie das Live-Album "Live Without Sense" beweist. Wie sah das hinter den Kulissen aus? War schon abzusehen, daß etwas Einschneidendes passieren würde?
Man hat schon gemerkt, daß es anfing zu kriseln. Wir haben eine lange Tournee gemacht, zum Beispiel fast drei Monate durch die USA. In einem Van! Das ist eigentlich undenkbar. Ober-Hardcore-mäßig! Da gab es dann schon Reibereien. Wenn man einen Haufen Leute zusammensperrt, gibt es irgendwann Knackpunkte. Und wir haben uns auch musikalisch nicht mehr verstanden. Die Mischung hat einfach nicht mehr gestimmt und es mußte irgendetwas passieren. Ich wurde als Sündenbock ausgemacht und geopfert. Die Schuld daran kann man aber nicht nur der Band alleine geben. Das ganze Umfeld, Management, Plattenfirma - die haben alle Druck und Theater gemacht, das war auch nicht in Ordnung. Aber wir waren halt jung und wußten es nicht besser.

 

Denkst du, daß es vielleicht anders gekommen wäre, wenn ihr ein wenig älter (und weiser) gewesen wärt?
Ja bestimmt. Wir wären jetzt alle Millionäre und super erfolgreich... haha! Aber Spekulationen waren noch nie mein Ding.

 

Wenn wir richtig gerechnet haben, warst du zu diesem Zeitpunkt gerade mal 23 Jahre alt und hattest bereits eine große, weltweite Karriere hinter dir. Hatte dieser frühe Erfolg vielleicht negativen Einfluß auf eure Persönlichkeiten und Charaktere? Was meinst du?
Das weiß man nie so genau. Man muß ja erstmal verarbeiten, was wir damals alles durchgemacht haben. Sicher hat jeder mal einen kurzen Höhenflug, aber ich denke, so schlimm war's nicht. Es lag eher am Umfeld und daran, daß wir uns auf Teufel komm raus weiterentwickeln wollten, aber nicht wußten wie. Was die Band bis dato immer ausgemacht hatte, war der schiere Willen und die Einheit. Und das war nicht mehr vorhanden.

 

Für uns war diese Situation allerdings ein großer Glücksfall, denn letztendlich kam es nur dadurch zur Gründung von HEADHUNTER, die wir in unserem letzten Interview im Mai (hier)schon ausführlich erörtert haben. Leider war dieser Band nicht vergönnt, an die Erfolge von DESTRUCTION anzuknüpfen und DESTRUCTION selber verschwand unterdessen gar fast komplett von der Bildfläche und fristete ein Schattendasein im Untergrund. Woran lag es deiner Meinung nach, daß die Band ohne dich nicht mehr funktionierte und daß dich selbst andererseits auch deine DESTRUCTION-Vergangenheit mit HEADHUNTER nicht weiterbrachte?
Naja, wenn ich hätte auf Biegen und Brechen erfolgreich sein wollen, wäre das Einfachste gewesen, den alten DESTRUCTION-Sound zu kopieren und mit meiner eigenen Band fortzuführen. Damit hätte ich die ganzen DESTRUCTION-Fans auf meine Seite ziehen können. Das wollte ich aber nicht, das hätte aus meiner Sicht keinen Sinn ergeben. Für die Fans war es natürlich schwer, das alles erstmal nachzuvollziehen. Außerdem paßte HEADHUNTER musikalisch nicht in die Zeit, die von Death Metal geprägt war. Für den großen Erfolg war es die falsche Musik zur falschen Zeit. Aber für mich war es genau das Richtige, weil es mich als Musiker am Leben erhalten hat. Bei DESTRUCTION selber hatte man dummerweise den Kopf abgetrennt, ohne den es nunmal nicht geht. Die haben alle super gespielt, aber keiner hatte einen Plan, wie's funktioniert. Keine Ahnung, wie man Songs schreibt, wie man mit der Presse umgeht, wie man das Marketing der Band richtig anfaßt, Cover, Image usw. Es braucht jemanden, der die Kontakte hat und das alles unter einen Hut bringt. Wenn man aber mit niemandem redet, wird auch nichts passieren. Außerdem war keiner mehr da, der irgendetwas verkörpert hat, was die Band ausmacht. Schlagzeuger Olly kam aus dem Jazz, der hatte mit Metal eigentlich gar nichts im Sinn. Leadgitarrist Harry hörte eher Malmsteen und solche Sachen, war also auch kein Thrasher und Mike war eh alles egal - Hauptsache Musik machen. So ist aus einer fokussierten Band ein Haufen Musiker geworden, die eben zusammen spielten, aber mehr halt nicht. Das hat die Sache zerstört, denn ohne konzentrierte Arbeit kommt man auch nirgendwohin.

 

10 Jahre später war DESTRUCTION wieder da. Wie kam es zur Aussöhnung mit Mike? Und wie habt ihr euch dabei gefühlt, die Legende wieder auferstehen zu lassen?
Das war ein langer Prozeß. Die ersten fünf Jahre haben wir uns überhaupt nicht mehr gesehen und sind uns aus dem Weg gegangen. Angefangen hat das dann durch alte Pflichten, die wir noch hatten. Plattenverträge und andere Dinge, die geklärt werden mußten. So kamen wir wieder ins Gespräch und sahen uns ab und zu. Naja, und irgendwie waren die Probleme auch verjährt. Ich war die ersten Jahre ziemlich stinkig, aber irgendwann ist das dann halt vorbei und man schaut wieder nach vorn. Die Zeit mit HEADHUNTER hat mir dabei sehr geholfen. Mancher gräbt sich in so einer Situation ein, kommt am Ende nicht mehr aus der Falle heraus und ist ein Leben lang sauer. Das ist mir erspart geblieben. Vielleicht wäre das anders gewesen, wenn DESTRUCTION ohne mich richtig erfolgreich geworden wäre. Ich denke, das hätte mich dann schon genervt, aber so war es halt nicht und das hat mir so etwas wie Genugtuung verschafft. Wir haben beide aus unseren Fehlern gelernt und dadurch hat es auch menschlich wieder gut funktioniert zwischen uns. Dazu kam, daß mich tausende von Leuten immer wieder angequatscht haben und mich drängten, zu DESTRUCTION zurückzugehen. Das war teilweise so schlimm, daß sogar Festivals bei mir anriefen: 'Hey, wir haben gehört, daß DESTRUCTION wieder am Start ist. Wär' schön, wenn ihr zuerst bei uns auftreten würdet...' Ich habe immer abgewiegelt und gesagt, daß es nicht stimmt. Irgendwann hat mich das aber so genervt, daß ich zu Mike ging und ihm sagte, daß mir ständig Leute wegen einer Reunion in den Ohren liegen. Dann hat er seinerseits gemeint, daß das auf keinen Fall in Frage kommt. Doch nach etwa einem Jahr kam er doch darauf zurück und wir setzten uns zusammen. Ich habe ihm meine Vorstellungen erläutert, wie alles laufen könnte und wir begannen zu proben. Erstmal nur um zu sehen, ob's nach all den Jahren noch funktioniert, aber es hat sofort wieder "Klick!" gemacht. Das war der ausschlaggebende Moment.

 

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Warum habt ihr keinen eurer ehemaligen Drummer mit hinzugenommen, sondern mit Sven Vormann ein neues Bandmitglied präsentiert? Und wie ist er dazugestoßen?
Ach diese Schlagzeuger... das ist echt ein Drama. Eine mentale und physische Geschichte. Als Schlagzeuger muß man leiden WOLLEN, muß reinhauen und die Technik haben, die paßt. Unseren damaligen Drummer Olly mußten wir immer dazu motivieren, Thrash zu spielen. Er kam aus dem Jazz und wollte lieber frickeln. Allerdings war sein technisches Spiel auch eine neue Variante von DESTRUCTION. Ohne Olly würden wir 2008 auch nicht so klingen. Musik ist ein Puzzle. Schlagzeug muß aber auch songorientiert funktionieren und technisch variabel sein, also haben wir uns jemanden gesucht, der das alles kann und aus unserer Gegend kommt. Das war sehr wichtig, damit wir ausreichend proben konnten. Sven war für uns in jeder Hinsicht der Glücksgriff, er war noch jung, DESTRUCTION-Fan, kannte alle Songs und war topmotiviert. Daß er zwei Jahre später Heimweh bekam und alles zuviel für ihn wurde, hat man da noch nicht sehen können. Aber das beweist, was über jemanden hereinbricht, der von Null auf Hundert gehen muß. Es ist nicht immer alles Gold was glänzt...

 

Habt ihr damit gerechnet, daß ihr nicht nur nahtlos an die alten Zeiten anknüpfen sondern sogar euren Status erheblich ausbauen könnt?
Wir haben gehofft, daß wir mit harter Arbeit dahin kommen können. Ob es funktioniert, wußte keiner. Wir waren schon überrascht über die euphorischen Reaktionen gleich zu Beginn. Wir merkten aber auch, daß uns nichts geschenkt werden würde, es blies uns schon ein rauher Wind um die Nase. Es gab nicht wenige kritische Stimmen, die fragten, wer denn überhaupt noch DESTRUCTION braucht. Wer braucht noch Thrash Metal und was wollt ihr überhaupt? Andere wiederum haben gemerkt: Moment, das ist ja gar nicht die Band von 1985... Da waren eine Menge Leute, die uns demotiviert haben bzw. demotivieren wollten. Aber wir haben unseren alten Spirit beibehalten. Wir ziehen unser Ding durch und jetzt, neun Jahre nach der Reunion, reden wieder alle davon, wie toll Thash Metal ist und alles ist wunderbar. Wir haben hart dafür gekämpft und das hat sich auch gelohnt, denn wenn ich auf der Bühne stehe, werde ich an den besten Musikern auf der ganzen Welt gemessen und muß echt Leistung bringen. Das haben wir uns stets vor Augen gehalten und es geschafft, unser Qualitätslevel zu halten und auszubauen.

 

Ihr seid seitdem wieder eine feste und konstante Größe in der Szene, habt fünf weitere erfolgreiche Alben auf der Habenseite und seid regelmäßig rund um den Globus unterwegs. Zieh bitte mal ein Fazit aus den letzten acht Jahren.
Seit unser aktueller Schlagzeuger Marc Reign 2001 in die Band gekommen ist, spielen wir in konstanter Besetzung zusammen, das ist schon bemerkenswert für DESTRUCTION. Wenn ich an die Zeit zwischen 1983 und 1989 denke und die ganzen Line-up-Wechsel, die DESTRUCTION auch geprägt haben, ist es schon cool, daß wir jetzt im Alter eine Besetzung gefunden haben, die zusammenpaßt und die zu zwei Dritteln aus Originalmitgliedern besteht, die aus der Vergangenheit gelernt haben, wie man am besten zusammenarbeitet. Das macht DESTRUCTION 2008 hauptsächlich aus. Und es ist schön, daß es so ist.

 

Womit wir wieder in der Gegenwart angelangt wären. Kommentiere bitte folgende Schlagworte und -zeilen:

  • Urlaub
    Oh, was ist das denn? Hehehe...

  • Fans
    Ohne die Fans wäre ich nicht, wo ich bin. Wenn ich manchmal sehe, wie andere Bands ihre Fans behandeln, ist mir das ein Greuel. Ich weiß, was mir meine Fans gegeben haben und welche Chance ich durch sie bekommen habe, deswegen haben sie auch einen hohen Stellenwert. ABER: Ich lasse mir von Fans nicht sagen, was ich machen muß. Ich bleibe ein eigenwilliges Individuum und mache mein eigenes Ding.

  • Neues Metallica-Album
    Ach ja, ich erwarte nicht allzuviel davon. Ich hör's mir natürlich gerne an und schau mal, was passiert.

  • Judas Priest und "Nostradamus"
    Da hat mir bisher die Zeit gefehlt reinzuhören. Die ersten Eindrücke waren eher verworren. Viel kann ich dazu nicht sagen, denke aber, daß mir das Album sicher nicht so gut gefallen wird, wie die alten Sachen. Ich habe Judas Priest letztens auf dem "Bang Your Head" Festival gesehen und war leicht enttäuscht.

  • HEADHUNTER und DESTRUCTION gemeinsam auf Tour
    Ich weiß nicht, ob die Leute sowas sehen wollen. Ich könnte mir schon vorstellen, das mal zu machen, aber ob das jemand braucht... (lacht) Den Gag wär's sicher wert.

  • Spanien ist Europameister
    Das war endlich mal eine Mannschaft, die es auch verdient hat. Wenn ich auf die letzten Europa- und Weltmeisterschaften zurückschaue... da sind einige Mannschaften durchgerutscht, die da nicht hingehörten. Ich denke, die Spanier haben verdient gewonnen, waren die Mannschaft des Turniers und die Deutschen sind auch ganz gut dabei weggekommen.

  • Oliver Kahn beendet Karriere
    Der Kahn ist mir auf seine alten Tage noch recht sympathisch geworden. Ich habe immer bewundert, mit welchem Ehrgeiz er zur Sache geht und er war auch jahrelang der beste Torwart der Welt. Wer schafft das schon 21 Jahre lang, das ist der Hammer. Und mittlerweile ist er auch als Mensch gereift und hat etwas zu sagen. Ein smarter Typ.

  • Bundesverfassungsgericht stoppt Rauchverbot
    Ich bin zwar Nichtraucher, aber ich finde es trotzdem beschissen, was da abgeht. Auf der einen Seite wurden jahrelang Milliarden gemacht mit der Raucherlobby und jetzt wird alles verboten und werden Hauruck-Gesetze gemacht. Da ich selber Gastronom bin bzw. war würde ich sagen, daß da nicht auf die Feinheiten geachtet wurde sondern nur auf die große Politik und das ist Quatsch. Man hätte das Rauchverbot anders durchziehen müssen. Allerdings finde ich das Wort "Verbot" schon wieder zum Kotzen. Irgendwann werden wir nur noch Verbote haben, Trink-Verbot und Nasenpopel-Verbot... Ich kann verstehen, daß man in geschlossenen Räumen, wo gegessen wird, nicht rauchen darf, aber alles andere ist Quatsch.

  • Billigflieger stürzt in Spanien ab
    Da ich selbst viel fliege ist es für mich natürlich besonders bitter, wenn ich sowas höre. Allerdings war es ja kein Billigflieger, sondern eine Lufthansa-Kooperations-Gesellschaft, mit der ich auch schon geflogen bin. Da sind wir wieder beim Thema "Devolution". Die Leute wollen viel Geld machen und nehmen dabei in Kauf, daß andere darunter leiden und das ist bei solchen Airlines-Geschichten natürlich brutal. Ich bin damals auch mit Birgen-Air in die Dominikanische Republik geflogen und drei Monate später ist die Maschine abgestürzt. Die hatten ja nur zwei Maschinen und mit der einen bin ich unterwegs gewesen, das war auch schon ein Horror-Flug. Auch in Südamerika bin ich schon oft mit komischen Airlines geflogen... Wenn man eben alles rausholt und rausquetscht, geht das auf Kosten der Sicherheit. Bei der spanischen Gesellschaft ist ja mittlerweile bekannt geworden, daß sie von den Problemen wußte und trotzdem starten ließ. Ich kann mich an viele Situationen erinnern, wo ich im Flugzeug saß und nichts mehr ging und man nicht wußte, ob man nochmal durchstartet oder überhaupt nochmal rauskommt usw. Ich denke, daß in der angeblich freien Welt sowas nicht passieren darf.

  • 10 20130303 1956089380
    Obama oder McCain?
    Obama würde den Amis gut tun. Ich war schon oft da und der Rassenhaß, der dort existiert, ist echt krass. Die Frage ist nur, ob Barack Obama eine Amtsperiode überhaupt überstehen würde und nicht einem fanatischen Attentäter zum Opfer fällt. Das ist da alles sehr extrem. Ich war auch schon als Weißer in schwarzen oder mexikanischen Gegenden und bin ganz schön angemacht worden. Ich habe aber auch gesehen, daß Schwarze von Weißen sehr schlecht behandelt werden. Das ist etwas, was ich als Deutscher nicht verstehen kann, obwohl wir hierzulande freilich auch solche Probleme haben. Für Amerika jedenfalls wäre Obama eine gute Sache, um die Rassengegensätze zu entschärfen und zu entkrampfen.

  • Kaukasus-Konflikt
    Das ist auch wieder "Devolution". Es ist lächerlich, was da wieder für Machtspielchen gespielt werden. Ich verstehe nicht, wie man um so ein Scheiß-Stück Land so erbittert kämpfen kann. Zweitausend Tote in einer Woche! Wofür? Ich sehe mich als Weltbürger auf einem kleinen Boot, das am Untergehen ist. Und alle hauen noch große Löcher hinein. Die Menschen kratzen sich noch kurz vor dem Sterben gegenseitig die Augen aus. Ich kann's einfach nicht nachvollziehen und ich habe den Respekt vor der russischen Regierung echt verloren. Wie die da vorgehen ist unverantwortlich. Natürlich muß der "Neue" jetzt erst mal, wie damals Bush, Härte demonstrieren, nicht meine Welt...

Wieso heißt du eigentlich Schmier?
Ich konnt's mir nicht aussuchen. Ich habe damals meine Jacke verschmiert. Nach der Gründung von DESTRUCTION, haben wir uns mit einer Schablone das Bandlogo auf unsere Jacken gepinselt. Ich war dabei zu hektisch und habe die Schablone zu früh heruntergerissen. Dadurch wurde der Schriftzug verschmiert. Und dann nannten mich alle Schmiermaxe und Schmierfink, bis daraus Schmier wurde. Erst hab ich mich darüber geärgert und aufgeregt. Ich fand das greulich. Aber es ist bei dem Namen geblieben und ich war halt Schmier. Dann kam unser erstes Demo, unsere erste Platte und wir dachten, daß so ein Spitzname eigentlich ganz witzig ist und behielten ihn bei. Und schon bald nannte mich niemand mehr anders.
 
 

Gib mal einen Ausblick auf die nächsten 25 Jahre: Wie wird die Szene dann aussehen und werden wir dann zusammen 50 Jahre DESTRUCTION feiern?
Naja, ich hoffe, daß die Szene wieder zu sich zurückfindet. Es ist ja zum Glück so, daß sie immer in Circles läuft. Die Musik, die gerade cool ist, ist es in fünf Jahren nicht mehr, wird in zehn Jahren als altbacken verschrien und ist nach fünfzehn oder zwanzig Jahren wieder das ganz große neue Ding. Insofern habe ich die Hoffnung, daß unsere Musik überleben könnte. Auf der anderen Seite steht wieder die "Devolution". Die Gier der Menschen ist so groß, daß wir als DESTRUCTION Probleme haben zu überleben, weil sich einfach viel zu viele an uns bereichern, an unseren CDs, unserem Merchandise. Wenn ich irgendwann einmal alles bekäme, was mir aus den schwarz verkauften CDs und T-Shirts usw. zusteht, müßte ich bis ans Ende meiner Tage nicht mehr arbeiten. Aber das Leben ist eben ungerecht und man wird ständig beschissen. Auch im Moment haben wir wieder Ärger an der Backe mit diversen Partnern, die sich nicht an Verträge halten und die Kohle zurückhalten wollen usw. Man ist dauernd am Kämpfen. So gut wird unser Job ja nicht bezahlt und ich kann manche Bands gut verstehen, die aufgeben und alles hinschmeißen. Ich hoffe aber, daß ich noch einige Jahre das Gespür, die Geduld und den Spaß habe, weiterzumachen.

 

Noch irgendwelche letzten Worte an unsere Leser?
Letzte Worte? Oh, das klingt so nach: "Gleich ist er tot." Da sag ich lieber nichts, hahaha... Ich freu mich jetzt erstmal auf die Tour und darauf, als Headliner spielen zu können. Da kommen zwar nicht so viele Leute, wie bei Festivals oder großen Packages, aber die Leute, die kommen, haben richtig Bock drauf und freuen sich, die besten Songs aus 25 Jahren DESTRUCTION zu hören.

 

Wir bedanken uns für das Gespräch!
Ich bedanke mich für das geile Interview!

 

 

Interview: Knechtel Family
Vorbereitung: cr, kf
Fotos: Pressematerial Band und Plattenfirma, Band-Archiv

 

 

 

 

 


   
   
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