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 Mike Schafmeier

Interview vom 11. September 2007

 

Er war in den ersten Jahren Schlagzeuger der bekannten deutschen Band SILLY, ehe es ihn zur Gruppe MTS zog... vom Deutschrock zum Musik-Kabarret. Es sind nicht mehr viele Gründungsmitglieder von SILLY da, die den Fans aus der Anfangszeit berichten könnten. Tamara Danz fehlt uns inzwischen schon 11 Jahre, und zuletzt verstarb völlig unerwartet der ehemalige Bassist, Mathias Schramm. Außerdem kann nur einer der "Silly's" Vergleiche zwischen dieser Band und MTS ziehen. Einige wenige Gründe von vielen, um Mike Schafmeier zu uns einzuladen. Am 11. September 2007 trafen sich Mike und Christian zu einem Gespräch für die Rubrik "Rauchzeichen".
 

 

Hallo Mike! Wie geht es Dir?
Danke, mir geht's gut...
 
 

Die Rubrik, für die wir Dich eingeladen haben, heißt "Rauchzeichen - Was macht eigentlich…?". Also: Was machst Du eigentlich?
Ich bin jetzt seit 23 Jahren bei der Gruppe MTS.

 

Mit welchem Programm kann man Euch sehen, was erwartet den Besucher?
Das aktuelle Programm heißt "007", weil wir jetzt in diesem Jahr sind. Den Besucher erwartet Spaß. Wir machen eine Art Lied-Kabarett, und nehmen uns thematisch hauptsächlich selber auf die Schippe. Es ist aber kein politisches Programm, sondern ganz normale Unterhaltung in einem zweistündigen Konzert. In den Clubs, in denen wir auftreten, sind im Publikumsraum gemütliche Tische, wo die Leute sitzen und dabei etwas trinken können. Die Gäste kommen wegen uns, und die Läden sind in der Regel auch immer voll. Nächstes Jahr gibt es ein neues Programm, d.h. es wird ein paar neue Titel geben. Wir kommen aber nicht drum herum, auch alte Sachen zu spielen, wo die Leute mitsingen können.

 

Nächstes Jahr steht ein großes Jubiläum an, nicht wahr? 35 Jahre "MTS". Habt Ihr schon die Feierlichkeiten geplant?
Nein. Das letzte große Jubiläumsprogramm haben wir zum 25-jährigen gemacht. Wir sind sowieso immer unterwegs und bei manchen Spielstätten waren wir schon 10 oder 15 mal zu Gast. Direkt feiern - in dem Sinne - werden wir nicht.

 

MTS ist auch eine Abkürzung für "Maschinen-Traktoren-Station". Wie Traktoren seht Ihr nicht aus. Hat der Bandname etwas damit zu tun, oder für was steht MTS?
(lacht) MTS wurde gegründet, als ich noch nicht dabei war. Nach langem Grübeln hat man damals die Anfangsbuchstaben der Nachnamen der Gründungsmitglieder Melzer, Treichel und Schmitt genommen.

 

...also wie bei den Puhdys...
Ja. Es kam natürlich auch dazu, dass es diese Anspielung auf "MTS" beinhaltete, denn diese Einrichtung der LPG - also Betriebe, die Traktoren auf Vordermann gebracht haben - gab es ja wirklich. Irgendwann wurde aus der Abkürzung dann "Mut, Tatendrang, Schönheit", und jetzt z.Zt. bedeutet es "Makaber, taktlos aber sauber". Zwischendurch gab es noch ein paar andere Mottos, die mir aber gerade nicht einfallen.

 

Es ist zwar schon ein paar Jährchen her, aber man kennt Dich auch noch als Drummer der Formation SILLY.
Das stimmt...

 

Du bist eines der Gründungsmitglieder, stimmt das?
Eigentlich ja… Ich war von Anfang an dabei.

 

Wie bist Du zu SILLY gekommen?
Ich wohnte damals in Cottbus, habe dort auch schon Musik, Tanzmusik, usw., gemacht, und wohnte in einem Haus mit dem Sänger Hans Klemm. Der hatte früher u.a. bei Klaus Lenz gesungen, und war ein richtig verschärfter Sänger. Mit dem habe ich eine Zeit lang auch in Cottbus zusammen gespielt, bevor er nach Berlin gegangen ist. Er bekam dort mit, dass zwecks Gründung einer Formation ein Schlagzeuger gesucht wurde. Er schlug mich vor und lobte mich so sehr, dass sich die Musiker die Mühe machten, nach Cottbus zu kommen. Wir trafen uns dort, haben ein bisschen gequatscht und sie gaben mir Musikmaterial an die Hand. Auf dem Band wurde etwas nachgespielt: Funk, Reggae und ein paar soulige Sachen. Das habe ich mir angehört und gesagt: "Ich würd's schon machen". Das war für mich kein einfacher Schritt, denn Cottbus lag mir sozusagen ja auch zu Füßen, und vor Berlin hatte ich ein bisschen Bammel. Große Stadt, die Berliner im Prinzip große Fresse (lacht)… Aber das hat sich schnell eingepegelt. Das ging 1978 los, und ich bin bis 1984 dort geblieben.

 

Kannst Du uns etwas über die erste Zeit mit dieser Band erzählen? Welche Ziele hatte sie?
Ziel war, etwas Eigenes zu machen, was dann auch eingetroffen ist. Wir haben damals erstmal Beziehungen zum Funkhaus Nalepastraße geknüpft, das war die größte Rundfunkanstalt des Landes. Unsere damalige Produzentin, die wir dort kennen lernten, habe ich erst letztens nach einer Ewigkeit wieder getroffen. Kurz vor seinem 58. Geburtstag ist der ehemalige Bassist (Mathias Schramm, Anm. d. Red.) gestorben. Zu diesem Anlass haben sich alle Musiker getroffen, die mit ihm mal was zu tun hatten, und sie war auch da. Zurück zur Frage: Das war um 1978, als wir zur Amiga gekommen sind. Dort habe ich zwei Platten mit eingespielt, zuerst "Tanzt hier keiner Boogie" und ein Jahr später "Mont Klamott".

 

Um den Bandnamen gab es - wie man sich erzählt - zu Anfang Probleme. Wegen des Anglizismus wurde er von den Behörden angeblich nicht genehmigt. Wie kam man dann auf "Familie Silly", und wie kam es dazu, dass schon zum zweiten Album der Name "Silly" letztlich doch auf dem Plattencover stand?
Ich glaube, wir haben uns am Ende doch in irgendeiner Form durchgesetzt. Wir hatten auch ein paar Beziehungen. Die brauchte man auch, damit man gewisse Dinge machen konnte oder durfte. Ich kenne das noch aus meiner Jugend, denn ich mache schon seit einer Ewigkeit Musik. Es gab mal eine Band, die nannte sich "Mike & Co". Aufgrund des Namens haben die Behörden dann geprüft: "Wer ist denn hier Mike?". Ich sagte dann: "Das bin ich.", musste dann den Ausweis zeigen, drin stand "Michael". Daraufhin kam dann: "Hier ist kein Mike". Das war die Zeit, wo durch die Musik alles so ein bisschen "verenglischt" wurde. Damals gab es die "VE-Titel", bedeutete "Verbotene Einfuhr", von denen wir obendrein auch noch ein paar gespielt haben. Daraufhin gab es dann ein Kapell-Verbot, das habe ich heute noch hier. Es war nicht das erste, und auch nicht das letzte, was es damals gab. Nochmal zurück zu Silly: Wie das nun alles genau abgelaufen ist, weiß ich nicht mehr. In die geschäftlichen Abwicklungen habe ich mich überhaupt nicht rein gehangen. "Familie Silly" hatte das wahrscheinlich alles ein bisschen gedämpft, so dass am Ende daraus doch "Silly" werden konnte.

 

Eure ersten Gastspiele fanden in Rumänien und Norwegen statt. Sehr ungewöhnlich für eine neue und - wenn man das sagen kann - unbekannte Band. Wie hat sich das ergeben, und wie war die Zeit damals auf Tour?
Der Gitarrist, Thomas Fritzsching, und Tamara spielten vorher in einer Band namens "Phönix". Diese Band spielte zwei oder dreimal in Rumänien, und so bestand der Kontakt dorthin bereits. So ergab sich das mit Rumänien, und wir spielten jedes Jahr von 1978 bis 1984 erstmal zwischen zwei und drei Monate in einem Hotel an der Küste. Im Laufe der Zeit sind dort dann auch für die erste Platte immer wieder neue Sachen entstanden. Später gab es innerhalb des Landes Tourneen, die dort organisiert wurden. Da der Gitarrist perfekt Rumänisch gesprochen hat, fiel uns das alles auch ein bisschen in den Schoß. Norwegen… das war so… damals gab es eine Einrichtung, da kamen die Musikagenten aus den westlichen Ländern, und haben für ihre Bars oder Hallen Bands mit Sängerinnen gesucht, die dort für einen Monat spielen sollten. Bei der Ausscheidung haben wir mitgemacht, und sind positiv aufgefallen. Im September 1979 waren wir in Kristiansand, das ist eine Hafenstadt in Norwegen, und ein Jahr später, also 1980, in Lillehammer. Bei der zweiten Reise durfte Tamara aber aus unbekannten Gründen nicht mitfahren. Weil der Vertrag schon unterschrieben war, musste auch die Personenzahl stimmen, worauf wir dann einen Techniker mitgenommen haben. Dieser Techniker hat uns die Freude gemacht, und ist nach 14 Tagen abgehau'n und einfach da geblieben (lacht). Wir bekamen deswegen mit der Agentur tierischen Ärger. Der Diplomaten-Abgesandte kam zu uns, hat uns ein paar Flaschen Schnäpschen da gelassen und meinte noch: "Man kann ja nicht in einen Menschen reingucken". Die Agentur in Berlin sah das nach unserer Rückkehr natürlich anders. Der Rest ist ja wieder nach Hause gekommen, obwohl wir auch hätten alle da bleiben können. Das wäre absolut gar kein Problem gewesen.

 

Stimmt es, dass die erste LP im Westen eher erschien als im Osten?
Ja, das stimmt...

 

Bekanntestes Stück von dieser LP ist "Der letzte Kunde". Wie kam es dazu, dass Du, und nicht Tamara, den Titel gesungen hast?
Das kam so, weil ein Titel kurz vor Fertigstellung des Albums textlich nicht genehmigt wurde. Nun musste auf die Schnelle ein anderes Lied her. Der Texter, Werner Karma, hatte noch etwas in der Schublade, u.a. "Der letzte Kunde". Wir haben uns den Text durchgelesen, die Kollegen haben mich dann nur angeguckt, und das war's schon (lacht). Kein anderer konnte das singen, also hab ich es gemacht. Die Vorbereitung war sehr interessant. Den ersten Versuch, den Titel einzuspielen, haben wir bei den Puhdys gemacht. Der damalige Schlagzeuger, Gunter Wosylus, hatte ein eigenes Studio. Die Kollegen meinten, ich müsse für den Song in Stimmung kommen, damit das richtig rüber kommt, weshalb dafür eine Fete dort stattfand. Am Ende war ich dann aber so "in Stimmung", dass es nicht mehr machbar war. Später haben wir es noch mal probiert, als ich im Studio in der Nalepastraße vier Stunden Zeit hatte. In zwei Stunden hab ich den Song fertig gemacht, und die Leute vom Studio haben flach gelegen. Musikalisch haben City und Puhdys diesen stampfenden Rhythmus bei den Aufnahmen beigesteuert. Die saßen alle auf einer Bank und gaben dem Song mit den Beinen und den Armen den Rhythmus. Dann war die Nummer fertig, und ich muss mal ohne Eigenlob sagen, dass dieser Titel für meine Begriffe ein Jahrhunderthit ist. Die musikalische Idee zu "Der letzte Kunde" kam vom kürzlich verstorbenen Bassisten, Mathias Schramm. Wir spielen dieses Lied auch heute immer noch bei MTS. Der wird gewünscht ohne Ende, wo wir auch hinkommen. Auch wenn ich auf der Straße unterwegs bin, kommt immer wieder mal ein "Guck mal da, der letzte Kunde", oder so was. Ich hätte mir damals nur gewünscht, dass er öfters gespielt wurde. Aber weil textlich Alkohol mit im Spiel war, war das nicht der Fall. Ich hab mit dem Titel Dinger erlebt… Wir hatten damals eine Fernseh-Aufzeichnung für die Sendung "Rund". Die Verantwortlichen haben uns gesagt: "So wie es ist, können wir das nicht machen. Wir müssen uns einen Gag einfallen lassen". Es wurde eine Bar-Szene nachgestellt. Sie hatten extra eine Theater-Crew einfliegen lassen, von denen sich einer als Kuh verkleidet, und an die Bar gesetzt hat. Bei dieser Szene wurde statt Alkohol Milch getrunken. Für den Dreh haben wir einen ganzen Tag gebraucht. Als das eingespielt war, kam ein Anruf "von ganz oben" aus Berlin mit dem Inhalt: "Das geht auch nicht". Zu der Zeit gab es eine Rinderseuche und sie meinten wortwörtlich: "Das können wir den Kühen nicht antun". Letztendlich blieb nichts weiter übrig, als dass alle für ein Playback an den Instrumenten waren, Tamara damals am Schlagzeug, ich wie ein Schlagersänger auf einem Hocker, und durfte keine Gags machen. Den Schluss des Songs haben sie dann auch noch ausgeblendet. In der Show von Helga Hahnemann bin ich unter'm Tisch hervor gekommen, also so wie es sich als "Suffke" gehört. Ich hätte mir gewünscht, dass der Titel zu der Zeit "auf der anderen Seite" erschienen wäre. Ich glaube, das wäre ein Riesen-Renner geworden.

 

Im Jahre 1982 fand innerhalb der Band der erste "Umbruch" statt, als zwei Positionen neu besetzt wurden. Du selbst bist dann 1984 zu MTS gewechselt. Warum bist Du von Silly weggegangen?
Das ist eine Geschichte für sich… Ich bin der Meinung, und das sieht auch so aus, dass Tamara so nach und nach alle originalen Kollegen rausgeschmissen hat. Angefangen beim damaligen Manager, dann die Techniker, dann die Keyboarder, die plötzlich nicht mehr da waren, als dritter Musiker kam ich dann an die Reihe, dann irgendwann der Bassist, und zum Schluss der Gitarrist, der eigentlich der Band-Kopf, also der Chef gewesen ist. Den Posten des Band-Chefs hat sich dann Tamara unter den Nagel gerissen, nach dem Motto: "Jetzt komm ich". Sie hat von Pankow und von der Stern Combo die Leute geholt, und die Band in dem Moment auch kaputt gemacht.

 

Hast Du danach die weitere Entwicklung Deiner alten Kollegen verfolgt?
Nein, kaum...

 

Besteht noch Kontakt zu ehemaligen Wegbegleitern?
Zu den Gründungsmitgliedern ja. Der Rest ist ja nur noch Hassbecker und Barton, und das sind keine Originale. Das hat eigentlich mit dem urspünglichen Silly nichts zu tun.

 

Wie findest Du die neue Besetzung mit Anna Loos? Hast Du sie schon live gesehen?
Nein, nur gehört. Es ist nicht schlecht, aber es ist auch nicht das Original.

 

Bei MTS hast Du - das kann man wohl sagen - eine andere Art von Musik und eine andere Arbeitsweise vorgefunden. Wo lagen die größten Unterschiede zwischen beiden Bands?
Im Mai 1984 war ich bei Silly raus, und im September hatte ich mit MTS meine erste Mugge. Ich war auf dem Weg in den Urlaub ins Vogtland, und unterwegs offenbarte mir Thommi Schmitt, der Chef von MTS: "Du steigst jetzt bei uns ein.". Statt Urlaub waren 14 Tage Probe angesagt. Die Mädels sind sozusagen in die Pilze gegangen, und wir haben geprobt. Der größte Unterschied zwischen beiden Bands war die Art und Weise, etwas vorzutragen. Ich hatte mich um die Stelle bei MTS nicht beworben, war damals zu Silly-Zeiten aber so eine Art Groupie, weil mir das unheimlich gut gefallen hat. Das Programm war jedes Mal anders, obwohl die Band teilweise das gleiche gespielt hat. Viel Improvisation, und die Läden waren damals auch immer brechend voll. Es wurde auch über gewisse Dinge "gemotzt" ohne das Namen genannt wurden, aber jeder wusste, was gemeint war. Ein weiterer Unterschied, den ich bis heute am meisten schätze, ist diese Kumpelhaftigkeit, keine Intrigen… also richtig professionell, weißt Du? Das war bei Silly nicht so. Ich bin zum Schluss nur noch mit den Technikern mitgefahren, weil dort immer eine Scheiss-Stimmung war. Bei jedem Furz eine Versammlung, usw...

 

Nächstes Jahr steht das bereits angesprochene Jubiläum an… Was plant Ihr für die Zukunft?
Weitermachen, solange uns die Füße tragen und es uns gesundheitlich gut geht. Ich musste ja auch schon aus gesundheitlichen Gründen ein Jahr aussetzen...

 

Was war los?
Ach, na ja... einiges (lacht). Ich hatte mit der Leber zu kämpfen und Diabetes. Dazu noch Erschöpfung. Urlaub gab es in dem Sinne ja nicht, und ob man Fieber oder was weiß ich hatte - es wurde immer musiziert. Der Körper hat dann irgendwann mal gesagt: "Jetzt hab ich die Schnauze voll!". Die Erholung tat mir ganz gut.

 

Ich danke Dir für dieses Gespräch. Möchtest Du den Lesern unserer Seite noch etwas sagen?
Ich grüße alle, auch im Namen der Band. Wir geben uns die größte Mühe, unser Publikum gut zufrieden zu stellen.

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung & Vorbereitung: kf, cr