Thomas Godoj

 

Thomas Godoj ist Jahrgang '78 und stammt aus dem Land der großen Namen osteuropäischer Rockmusik. Wo Thomas ursprünglich herkommt, haben Czeslaw Niemen oder Marek Grechuta bleibende Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen. Im Jahre 1986 schnappten sich seine Eltern ihren Sprössling und wanderten nach Deutschland aus. Nach der Schule und seiner Ausbildung stand fest: Thomas Godoj wird Musiker.001 20130723 1601691238 Sein Weg führte ihn über die erste eigene Band und ein anschließendes Band-Projekt, mit denen er schon erste Erfolge feiern konnte, über das TV-Castingformat "Deutschland sucht den Superstar" hin zum eigenständigen Künstler, der inzwischen mit exzellent arrangierter Rockmusik und deutschen, anspruchsvollen Texten stolz auf eine immer größer werdende Fanbasis blicken darf. Dabei ist Thomas eigentlich ein heißes Eisen: Dadurch, dass er an DSDS teilgenommen hat, hat er es in den Medien heute schwer, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ignoranz und alte Seilschaften verhindern es, dass er medial eine faire Chance bekommt. Einmal das DSDS-Siegel an der Backe und in der Schublade abgelegt, fasst kaum kein Redakteur (ob Radio oder TV) seine Platten an. Erschwerend hinzu kommt, dass Thomas Godoj keine Skandale produziert und somit auch für die Boulevard-Medien kein Thema ist. Trotz all dieser Widrigkeiten zeigt er seit Jahren sehr beeindruckend, wie man auch ohne eine Teilnahme am Dschungelcamp oder bei "Das perfekte Promi Dinner" am Markt bestehen und nur mit seiner Musik überzeugen kann. Ohne große PR-Möglichkeiten landen seine Platten trotzdem in den Album-Charts und lassen dabei manch größeren Künstler hinter sich. Damit dürfte der junge Mann, der heute in Recklinghausen (NRW) wohnt, der einzige künstlerisch "Überlebende" des Bohlen'schen Castingzirkus sein, von dem man heute noch etwas Nachhaltiges geliefert bekommt. Anlässlich seines vierten Studioalbums "Männer sind so", das vor ein paar Tagen das Licht der Welt erblickte, haben wir den Künstler zu uns eingeladen, um mit ihm über sich und seine Karriere zu sprechen. Dabei gewährte uns Thomas tiefe Einblicke in das Castingformat, dem er im Jahre 2008 selbst angehörte und bei dem er die damalige Staffel auch gewann. Der Musiker erzählt, wie er sich davon befreit hat und zum eigenständigen Künstler wurde, der endlich seine musikalischen Ideen auch einem breiteren Publikum vorstellen kann - wohlgemerkt OHNE Hilfe der weichgespülten und gleichgeschalteten Formatmedien ...
 



Thomas, geboren bist Du in Rybnik/Polen, aufgewachsen und wohnhaft in Recklinghausen/Nordrhein-Westfalen. Ist Thomas Godoj nun ein Pole, ein Deutscher oder sieht er sich als Europäer?
(lacht) Genau so, als Europäer. In erster Linie als Bewohner dieses Planeten.

Hast Du noch Erinnerungen an Deine alte Heimat und an die Übersiedlung nach Deutschland? Immerhin fand diese 1986, also zur Zeit des "Kalten Krieges", statt ...
Ja, klar! Ich bin in Polen geboren und dort auch in den Kindergarten gegangen. Auch die erste Klasse habe ich dort besucht. Als ich sieben Jahre alt war, also 1986, sind wir aus Polen in Richtung Deutschland ausgesiedelt. Und das auf eine abenteuerliche Art und Weise. Wir sind über Umwege in den Westen gezogen, denn so einfach war das ja alles nicht. Meine Eltern haben das so geplant: Als man von Polen aus wieder ins Ausland reisen und Urlaub machen durfte, haben sie die Gunst der Stunde genutzt. Das haben ganz viele Menschen damals so gemacht. Es war nicht schön, im Kommunismus zu leben.

Wann und wie bist Du zur Musik gekommen? Hast Du sie für Dich entdeckt oder bist Du da eher zufällig rangekommen?
Nein, bei uns zu Hause ging es musikalisch schon immer ganz schön ab. Mein Vater hat mit uns zu Hause immer gesungen. Meine Mutter erzählt mir immer, dass ich schon als Kind in der Küche die Kochtöpfe aus dem Schrank geholt und darauf rumgetrommelt habe (lacht). Ich hatte damals schon Spaß an der Musik. Meine Cousine hatte ein Klavier und das war für mich auch sehr inspirierend. Als wir dann nach Deutschland gekommen waren, gab es an der Grundschule schon einen Förderunterricht. Da konnten wir uns zwei oder drei Instrumente ausleihen und da habe ich auch mit Geige angefangen, später auch Trompete... Für Instrumente habe ich mich schon immer interessiert.

Hast Du denn richtig Unterricht bekommen oder bist Du Autodidakt?
Nein, ich bin ein Autodidakt - immer schon gewesen (lacht). Die Sachen habe ich mir alle selbst beigebracht und in der Jugendzeit kam das alles so über mich. Musik gab mir auch schon immer einen gewissen Halt. Man muss sich das so vorstellen... Soziale Kontakte fangen ja schon in der Kindheit an. Wenn die Kinder zusammen in den Kindergarten und später auch in die Grundschule gehen, entstehen diese ersten Kontakte und Freundschaften. Und diese Zeit hatte ich bedingt durch unsere Übersiedlung von Polen nach Deutschland nicht. Mir fehlt also die Verfestigung in dieser Zeit. Die hatte ich einfach nicht. Ich wurde damals aus allem herausgerissen, weil ich zuerst in Polen zur Schule ging, nach unserer Ausreise dann zuerst in Mettmann und später in Recklinghausen, als wir dorthin gezogen waren. Und da waren die Kinder schon längere Zeit zusammen und kannten sich. Ich bin in diese bestehenden Gruppen ja immer nur dazu gestoßen. Das hat sich dann auch in meiner Jugend so zugetragen, dass ich wenig Kontakte zu meinen Mitschülern hatte. Ich hatte immer ältere Freunde, die in der Nachbarschaft wohnten. Die haben mich dann auch immer nach Recklinghausen Süd mitgenommen. Da war schon immer und ist auch heute noch die Musikszene aktiv. Diese Zeit hat mich sehr geprägt. Da fing es an, dass ich eine Band gründen und Musik machen wollte. Ich bin mit diesen Freunden auch auf viele Festivals gefahren. Und so kam ich zur Musik.

Ich habe Deine Biographie gelesen. Ist es richtig, dass Du die Schule mit dem Fachabitur verlassen und dann eine Lehre zum Technischen Zeichner gemacht hast?
Nein, nicht ganz. Ich habe meinen Realschulabschluss gemacht, also die Mittlere Reife. Ich wollte anschließend eine Lehre zum Bauzeichner machen und habe mich die ganze Zeit beworben, aber nirgendwo einen Ausbildungsplatz bekommen. Dann habe ich mich als Maschinenbauzeichner beworben und auch da keinen Ausbildungsplatz bekommen. Ich bin dann noch ein Jahr weiter zur Schule gegangen und zwar auf die Kollegschule an der Kemnastraße hier in Recklinghausen. Da habe ich mein Fachabitur gemacht und anschließend noch die Gestalterklasse besucht. In dieser Ausbildung war ein Jahrespraktikum vorgesehen. Dieses habe ich bei einem Grafikdesigner absolviert. Nach dem Jahrespraktikum hat sich dann irgendwann mein damaliger Chef bei mir gemeldet. Jemand war bei ihm für den Ausbildungsplatz als Technischer Zeichner abgesprungen und darum haben sie an mich gedacht und mich gefragt, ob ich diese Ausbildung immer noch machen möchte. Daraufhin habe ich die Schule natürlich abgebrochen und habe in dem ehemaligen Praktikumsbetrieb 3 1/2 Jahre meine Ausbildung gemacht. Nach meiner Ausbildung habe ich ein Jahr in einem Ingenieurbüro als Maschinenbauzeichner gearbeitet und mich dann in der Fachhochschule Bochum für ein Studium eingeschrieben.

Du hast dort ein Studium im Fach Bauingenieurwesen begonnen ...
Genau, ich habe dort acht Semester studiert. Ich war auch schon eine Prüfung vor dem Hochschulabschluss und hatte alles aus dem Hauptstudium vorbereitet und hätte nur noch Prüfungen schreiben müssen. Aber es wurde mit der Musik immer mehr und mehr - das war übrigens noch vor der DSDS-Zeit - und es ging richtig in die professionelle Ecke. Irgendwann musste ich mich dann eben entscheiden, was ich machen will: Musik oder das Studium. Auf zwei Hochzeiten tanzen ging nicht. Ich habe mich dann für die Musik entschieden.

Du sprachst es gerade an: Du hast auch vor "Deutschland sucht den Superstar" schon Musik gemacht und das auch nicht gerade unerfolgreich. W!NK hieß Deine Band damals, oder?
Ja, aber vorher gab es auch schon die Gruppe CURE OF SOULS. Das war die allererste Band, die wir im Jahre 2001 gegründet haben. Organisiert vom Kinder- und Jugendparlament hier aus Recklinghausen gab es im Jahre 2003 im Bürgerhaus Süd ein Musik-Festival für Newcomer, bei dem wir mitgemacht und das wir damals auch gewonnen haben.

Wie kam es dann zur Gruppe W!NK, in der Du ja anschließend gespielt hast?
CURE OF SOULS gab es insgesamt drei Jahre. In dieser Zeit gab es immer wieder Um- und Neubesetzungen, insbesondere die Gitarristen sind immer gekommen und gegangen. Wir hatten also immer ein Gitarristen-Problem. Nachdem wir das Newcomer-Festival 2003 gewonnen hatten, durften wir am 1. Mai an den Ruhrfestspielen teilnehmen und haben dort vor über 4.000 Menschen gespielt. Dabei habe ich über eine gute Freundin einen ihrer Bekannten kennengelernt, der Produzent war. KiKo Masbaum heißt er und ist heute übrigens der Produzent von UNHEILIG. Er hatte sich damals gerade erst in Köln mit einem neuen Studio niedergelassen. Allerdings war er eher im Bereich Pop-Musik tätig, u. a. hat er auch Christian Wunderlich produziert. Ich habe ihn dort jedenfalls kennengelernt und wir hatten vor, auch zusammen zu arbeiten. Ein Jahr später habe ich ihn dann wieder getroffen und er erzählte, dass ein Studio in Offenbach bei Frankfurt, die damals u. a. auch Laith Al Deen produziert haben und heute Daniel Wirtz von Sub7even produzieren, einen Sänger für ein Projekt suchten. Nachdem ich bei KiKo in Köln ein paar Acapella-Stimmen eingesungen hatte, bat mich Matthias Hoffman von diesem Studio, ihn doch mal zu besuchen, um über das geplante Projekt zu sprechen. Und aus diesem Projekt ist dann die Gruppe W!NK entstanden. Wir haben zusammen mit dem Produzenten Texte geschrieben und er hat das dann hinterher auch produziert. Das Projekt gab es zwei Jahre und im ersten Jahr dieser Phase haben wir dann bei der Coca-Cola Soundwave Discovery Tour mitgemacht. Wir haben dabei das Internetvoting gewonnen und durften dann vor Adam Green in der Muffathalle in München im Vorprogramm spielen.

Das war die Zeit, in der die von Dir vorhin angesprochene Entscheidung zwischen Studium und Musik fiel, oder?
Ja, genau.

Du wirst Dir über Deinen beruflichen Werdegang als Musiker ja ganz sicher lange und intensiv Gedanken gemacht haben. Es gab erste Erfolge mit der eigenen Band... Wie passt dann "Deutschland sucht den Superstar" da rein? War Dir damals klar, dass Du Dich da in eine Abhängigkeit begibst?
Darüber habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Eine Abhängigkeit ist es auch nur für eine bestimmte Zeit. Jede Castingshow in Deutschland ist ein Kompromiss, kann aber auch ein Sprungbrett sein. Die Castingshow ist aber auch kein Garant dafür, dass man längere Zeit große Erfolge feiern kann. Natürlich ist es aber auch nicht vorgegeben, dass man - wenn man gewonnen hat - auch Erfolg hat. Für mich, der zu dem Zeitpunkt schon eine Zeit lang im Musikbusiness tätig war, war das eine weitere Erfahrung, die ich sammeln konnte. Zu der Zeit war ein Riesenhype um die Castingshows in Deutschland. Es gab diese "Popstars"-Geschichte auf Pro 7. Das passte überhaupt nicht zu mir. Dann gab es noch "Starsearch", wo Martin Kesici damals mitgemacht und gewonnen hat. Nachdem sich das Projekt W!NK verabschiedet hatte, wollte ich für mich wissen, was dahinter steckt und meine eigenen Erfahrungen machen. Mir war das egal, in welcher Castingshow ich das machen kann und wenn damals Stefan Raab gesucht hätte, hätte ich mich auch da beworben. Ich wollte sehen, was für mich noch geht. Und nach langer Überlegung (lacht), habe ich mich bei DSDS online beworben. Ich bin damals mit meinem Gitarristen Sebastian Netz, der mich begleitet hat, zum Casting gegangen.

Die ganze DSDS-Kiste ist ja nur ein ganz kleiner Teil Deiner Vita. Ich nehme an, dass Du aber trotzdem bei fast jedem Interview darauf angesprochen wirst ...
Na klar!

Gehen Dir die Fragen danach inzwischen nicht schon total auf den Senkel?
Nein, wieso? Ich spreche gern über meine Erfahrungen und das kann man aus meinem Lebenslauf ja jetzt auch nicht mehr streichen. Letztendlich hat die Sendung meinen Bekanntheitsgrad erhöht. DSDS ist schon eine gute Promo-Fläche, die man für sich gut nutzen kann. Natürlich gibt es Pros und Kontras bei dieser Sendung und natürlich hat man den von den deutschen Medien gemachten Stempel, wenn man daran teilgenommen hat. Aber das passiert nur hier in Deutschland und nirgendwo sonst. Da wird auch ständig auf Dieter Bohlen rumgehackt und als der Mensch, der da mitgemacht hat, wird man auch ständig mit ihm in Verbindung gebracht. Das ist dieses typische Schubladendenken. Da wird eine Lade aufgemacht, das Format rein geschmissen und "Auf Wiedersehen". Das finde ich sehr traurig. Ich mache mir darüber heute aber keinen Kopf mehr, denn das ist fünf Jahre her ...

Sicher. Du sprichst von Schubladendenken: Es ist aber doch so, dass Dieter Bohlen seit zehn Jahren auf diesem Jurysessel sitzt und dem Sieger einer Staffel immer den ersten Song - und manchmal sogar noch mehr - schreibt ...
Nein. Das stimmt nicht! Natürlich will er das und wenn ich ihm signalisiert hätte, dass ich mit ihm gerne hätte weiterarbeiten wollen, dann hätte Dieter Bohlen sicher auch "Ja" gesagt. Ich glaube aber auch, dass in den ersten Staffeln die Verträge anders ausgearbeitet waren und dass die Sieger da noch von Bohlen produziert werden mussten. Das war zu meiner Zeit aber schon nicht mehr so. Aber da muss man sich mal etwas tiefer in die Materie begeben und sich damit auseinandersetzen. Ich habe z. B. gehört, dass die Elli, die damals die zweite Staffel gewonnen hat, die Arschkarte gezogen hatte. Sie musste was mit ihm produzieren, ob sie wollte oder nicht. Es stand im Vertrag, aber sie hat trotzdem "Nein" gesagt. Deshalb war sie im Endeffekt dann auch sofort wieder weg vom Fenster. Du bist für eine gewisse Zeit vertraglich geblockt und Du hast während dieser Zeit überhaupt keine Chance, Dich selbst zu verwirklichen, bzw. Deine eigenen Ideen in die Tat umzusetzen. Das ist in den Verträgen so geregelt und für die Sängerin oder den Sänger ein Nachteil. Das ist aber doch logisch, denn die Macher, die Dich da rausbringen, wollen an Dir Geld verdienen. Das ist ja eine riesige Gelddruckmaschine - aber nur für die Macher und die Plattenfirmen!

Da hake ich noch mal nach. Ich hatte vorhin ja schon die Frage gestellt, ob Du vorher wusstest, wie das da läuft ...
Nein, nicht direkt. Diese Erfahrung habe ich dort gemacht und man wächst da erst rein. Man puzzelt sich die einzelnen Stücke erst dann zurecht, wenn man dabei ist und man erfährt auch erst dann mehr. Die Managements, die da letztlich im Hintergrund agieren, wenn Du gewonnen hast, sind auch vertraglich festgelegt. Das geht schon los, wenn Du in diese Live-Shows kommst. Du kommst also unter die ersten Zehn, trittst in den Live-Shows auf und dann geht das auch schon los mit dem Verträgeunterschreiben. RTL stellt ja sogar Anwälte - ich nenne sie heute Pseudoanwälte, weil die ja von RTL bezahlt werden - und Du hast gar keine Möglichkeit, irgendwelche Vertragsdetails oder Regelungen zu verändern. Die tun auch nur so, als würden sie ein paar Details noch ändern, aber dem ist halt nicht so. Das sind die Erfahrungen, die ich bei DSDS gemacht habe, aber ich sage auch, das ist ein Kompromiss. Wenn Du die Verträge da nicht unterschreibst, kannst Du nach Hause gehen. Man muss sich halt überlegen: Zieht man das durch, um irgendwie auf sich aufmerksam zu machen und nimmt in Kauf, dass die einen benutzen, um für sich das Geld einzufahren, oder lässt es sein. Aber letztlich versucht man als Teilnehmer, das Ganze für sich auch zu nutzen. Klar ist, dass es für mich danach schwer war und es auch für jeden, der aus einer Castingshow kommt, schwer ist, nach einem Sieg in den öffentlichen Medien stattzufinden und als eigenständiger Künstler wahrgenommen zu werden. Dir kann da jemand einen Welthit schreiben und da sagen Dir manche Radiosender, die da sowieso geblendet und negativ eingestellt sind, "Nein, das passt bei uns nicht ins Format. Tschüss!" Diese Ausrede hört man von Jahr zu Jahr und von Platte zu Platte. Und das ist Politik, denn die Öffentlich-Rechtlichen Radiosender wollen das nicht unterstützen. Stell Dir mal vor, diese Sender würden Dich richtig pushen und spielen. Was glaubst Du denn, wer da im Erfolgsfall als erstes auf der Matte steht? Der Sender, der Dich groß rausgebracht hat, in diesem Falle RTL. Die können dann sagen, "Das ist unser Künstler. Den haben wir entdeckt!" Und diese Genugtuung wollen sie denen nicht einräumen, darum laufen die Songs der DSDS-Gewinner nicht bei den Öffentlich-Rechtlichen Programmen. Und das ist eben ein Problem.

Ich habe die ersten beiden Staffeln von DSDS gesehen, darum war meine Frage auch so gestellt: Da war es so, dass Bohlen den Siegertitel schreibt und auch produziert ...
Das ging aber wohl nur bis zur zweiten Staffel, eben die, bei der Elli gewonnen hat. Weil die keine Bohlen-Produktion wollte, haben die mit der Staffel und an ihr als Siegerin kein Geld verdient. So wird das wohl gewesen sein ...

Na ja, aber das, was nach Dir kam, z. B. Mark Medlock, Daniel Schuhmacher oder Pietro Lombardi, wurde konsequent wieder von Bohlen produziert.
Bei Medlock war es so - glaube ich -, dass er darauf Bock hatte. Der wollte sich von Bohlen produzieren lassen und er ist diesen Weg gegangen. So wie ich gehört habe, hat Medlock vor DSDS keine Musik gemacht und war auch nie in einer Band. Der hat immer nur für sich zu Hause gesungen und sich irgendwann bei DSDS beworben. Banderfahrung hatte er damals - soweit ich weiß - keine. Da lag das schon nah, dass er sich von Bohlen produzieren ließ. Die beiden aus der vorletzten Staffel, also Pietro und Sarah, sind noch sehr jung. Und man merkt ja, wo der Trend heute hingeht: Immer jüngere Leute werden gecastet. Und warum ist das so? Die sind unerfahren und haben noch keine Erfahrungen gesammelt. Wenn wir auf unsere Jugend zurückblicken, waren wir in dem Alter doch auch alle noch grün hinter den Ohren. Und genau sowas suchen die Macher. Junge und unerfahrene Menschen stellen keine blöden Fragen. Das ist meine Meinung zu dem Ganzen.

Der Erfolg mit Deinem ersten, direkt nach DSDS produzierten Album spricht eine deutliche Sprache. Erste Plätze in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Gold-Status und sogar Platinstatus. Wenn Du da heute zurückblickst: Glaubst Du, dass sich die Platte wegen der Musik oder wegen Dir als von zig Teenies umjubelten Popstar so gut verkauft hat - anders gefragt: Ging es den Leuten um die Musik oder den knackigen Burschen Thomas Godoj?
Ich glaube schon, dass ich die Leute mit meiner Stimme und vielleicht auch durch meine Art überzeugen konnte. Es ist aber schwierig, über sich selbst zu urteilen, was die Leute an einem gut gefunden haben. Ich bin auch kein Freud davon, mich selbst in irgendeiner Form zu bewerten. Ich habe da mitgemacht, weil ich Bock darauf hatte. Vielleicht haben die Leute das bemerkt, dass ich es musikalisch ernst meine und dass ich mich da auch nicht großartig verstellt habe. Wenn ich das im Fernsehen immer so sehe, wenn die Kandidaten nach ihrem Auftritt da stehen und mit den Fingern Zeichen in die Kameras ans Publikum geben, damit für sie angerufen wird ... Sowas habe ich nie gemacht! Ich konnte dieses Anbiedern nicht, das bin nicht ich. Das Ding ist aber, dass die Leute hinter der Kamera vor Dir stehen und Dir Zeichen geben, die Du in die Kamera machen sollst. "Mach dieses Zeichen!" - ich hab nur gedacht, "Ihr könnt mich mal, warum soll ich das jetzt hier machen?" Wenn die Leute Bock auf mich haben und mich gut finden, dann rufen sie sowieso an. Wenn nicht, dann nicht. Das ist von den Machern halt inszeniert worden. Vielleicht hat sich das auch rumgesprochen, dass ich mich geweigert habe, diese Dinge mitzumachen und dass die Leute das dann besonders an mir gemocht haben. Ich weiß es nicht. Ich bin für mich immer Schritt für Schritt weitergegangen und habe versucht, mich für jeden Auftritt vernünftig vorzubereiten. Dafür war auch nie genug Zeit. Und wenn wir noch mal auf die Musik zurückgehen: Man hat bei dem Format auch keine Möglichkeit, seine eigene Musik da vorzustellen und zu singen. Man ist letztendlich nur ein "Interpret" von bekannten Chartsongs und man hat in den Mottoshows versucht, den Leuten sein Bestes, nämlich die Stimme, zu geben. Man kann viel über "Deutschland sucht den Superstar" sagen, aber man muss auch dazu sagen, dass die Sendung laut den Quoten die erfolgreichste dieser Art in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist. Und um auf Deine Frage zurück zu kommen: Wenn ein Sieger aus der Sendung hervorgeht, der auch authentisch rüber kommt, merken die Macher schon an den Anruferzahlen, wie viele Fans er hat. Dann entsteht ein großer Druck und es wird da schon mit der Plattenfirma verhandelt. Diese hat dann auch eine ganz andere Ausgangsbasis bei den Einkäufern. Da wird dann angefangen, rumzudealen und die Chefs der großen Ketten bestellen und kaufen die Platten schon vorab, noch bevor das Album überhaupt da ist. Zum Erscheinungstermin gehen später riesige Mengen an CDs in die Märkte. Das heißt aber noch nicht, dass die alle auch über die Ladentheke gegangen und an den Kunden verkauft worden sind. Natürlich haben ein paar mehr Leute mein erstes Album gekauft, es ist aber nicht gesagt, dass wirklich 300.000 Menschen jetzt die CD zu Hause haben. Das glaube ich nämlich nicht. Das hat sich hinterher auch bei den Live-Konzerten gezeigt. Natürlich haben wir im ersten und zweiten Jahr in größeren Hallen gespielt, aber das waren insgesamt keine 300.000 Menschen, die zu den Konzerten kamen. Und wenn ich eine Platte kaufe und sie mir gefällt, dann gehe ich auch zum Konzert.

Nun ist Thomas Godoj 2013 von dem Thomas Godoj 2008 so weit entfernt, wie irgendwas. Die Musik hat sich geändert, die Sprache hat sich geändert und auch Dein Auftreten hat sich geändert. Was ist in diesen fünf Jahren passiert?
Mein Auftreten auch? Ich glaube, ich bin eher noch lockerer geworden ...

Naja, das meine ich ja ...
Damals war das alles noch ziemlich neu für mich und ich musste mich ja auch erst mal orientieren. Das war damals alles auf dieser "Boulevard-Ebene" aufgebaut und da wollte ich raus. Das ist halt nicht mein Ding. Charakterlich habe ich mich aber überhaupt nicht verändert. Ich bin immer noch der Thomas Godoj, wie ihn die Leute damals kennengelernt haben. Aber es ist richtig, dass sich die Musik gewandelt hat und da habe ich die Kurve gekriegt. Ich wollte den Leuten meine Musik vorstellen. Die war jetzt nicht unbedingt weit weg von den Liedern damals. Ich bin ja etwas rockiger unterwegs, habe aber trotzdem immer auch Popmelodien in meiner Musik. Von daher war es nicht so eine ganz krasse Umstellung, denn ich habe ja keinen Pop gemacht und bin heute beim Heavy Metal. Aber es stimmt, inhaltlich und musikalisch gab es Veränderungen. Die Arbeit musste aber zuerst mal gemacht werden, um den Leuten die Entwicklung, wo es mit den Jahren hingehen soll, auch präsentieren zu können.

Die erste Platte war ein Mischling. Einige englische und nur wenige deutsche Texte. Ist die Abkehr von der englischen komplett hin zur deutschen Sprache ein Bekenntnis zu Deiner?
Ja, genau! Aber das ist im Prinzip auch das, was ich vor DSDS schon gemacht habe. Ich muss aber dazu sagen, dass wir mit CURE OF SOULS auch englische Songs geschrieben haben. Genauer gesagt, haben wir mit dieser ersten Band nur englische Texte gemacht. Ich bin durch das Projekt mit W!NK zur deutschen Sprache gekommen und habe sie in Verbindung mit unserer Musik dabei auch lieben gelernt. Mir hat es einfach gefallen, deutsche Texte zu schreiben und letztendlich kann man sich in seiner Muttersprache doch auch viel besser ausdrücken. Dieses Bekenntnis zur deutschen Sprache ist über die Jahre ja auch ganz gut angekommen. Beim ersten Album hatte man leider kaum Mitspracherecht. Man konnte sich da nur ganz ganz wenig einbringen. Man ist aus der Sendung herausgeschleudert worden und plötzlich war man mittendrin. Es gab mit der Plattenfirma ein sogenanntes "Songfinding". Da wurden Songs, von denen die Plattenfirma glaubte, sie seien gut, aus der Schublade gezogen. Trotzdem mussten sie mit mir damals acht Stunden zusammen sitzen. Da gab's dann auch den Kommentar, "Mensch, mit den anderen Kandidaten vorher ging das viel viel schneller!" Klar, ich habe ja auch versucht, ein bisschen anspruchsvoller an die Sache ran zu gehen und ich habe nicht jeden Song, den sie mir da präsentiert haben, gut gefunden. Ich habe aber Gott sei Dank damals schon den ersten Schritt gemacht und gesagt, dass ich auf meinem ersten Album auch gerne meine eigenen Songs anbringen möchte. Und das waren dann eben die drei deutschen Lieder, die auf der CD zu finden sind, also "Helden gesucht", "Autopilot" und während der Studiozeit ist dann noch die Nummer "Plan A" entstanden.

Aber mal ehrlich... Wenn die letzte Sendung der Staffel von DSDS läuft, ist die Platte doch schon längst im Kasten, sprich aufgenommen und gepresst, oder?
Ja... So war's letztlich auch bei mir mit der ersten Single. Als wir nur noch drei Kandidaten waren, ist jeder von uns für sich ins Studio gefahren und bekam drei Songs zur Auswahl. Dann wurde aufgenommen und... tja, den Siegertitel kennt man ja. Nach der letzten Sendung war man ja dann überall und musste auch überall hin. Man wurde quasi wie eine Kuh durch's Dorf getrieben. Aber das hat schon Spaß gemacht, mich in die mediale Welt zu begeben, das muss ich zugeben (lacht). Es war schon interessant, Rede und Antwort zu stehen. Aber damals wurden ganz andere Fragen gestellt, als heute. Heute stellt man mir Fragen in Bezug auf meine Texte oder zu meinen Kompositionen. Damals gab es aber nur Fragen, wie z. B. "Wie ist denn die Sendung verlaufen?". Oder es wurden Fragen zu den anderen Kandidaten gestellt. Aber keine Fragen zur Musik. Das war alles sehr oberflächlich.

Das war auch mit ein Grund für meine Frage von vorhin, ob Du die Staffel gewonnen hast, weil Du als Künstler wahrgenommen wurdest oder ob es da mehr um den gutaussehenden jungen Mann ging, auf den die Töchter wie die Mütter gleichermaßen abgefahren sind... Sowas kann man ja z. B. auch von Interviewfragen ablesen.
Ich glaube aber auch, dass die Journalisten in der Situation keine andere Möglichkeit haben. Die wissen ja gar nicht, was sie den Jungen oder das Mädchen da fragen sollen. Deshalb kommen dann auch diese oberflächlichen Fragen. Über die Musik kann man da ja nicht sprechen. Du hast es ja gerade gesagt: Man gewinnt die Staffel am Samstagabend und eine Woche später ist das Album auf dem Markt. Wie will man in der kurzen Zeit die Songs geschrieben haben? Das geht ja nur, wenn die Songs aus der Schublade kommen und man sie vorher schon eingespielt hat. Was soll man als Sänger dann großartig zu den Songs erzählen? Dass es autobiographisch ist? Ist es ja nicht. Die Sendung ist oberflächlich und deshalb beschäftigen sich die Boulevard-Medien damit auch auf eine oberflächliche Art und Weise. Aus diesem ganzen Kreis wieder heraus zu kommen und zu versuchen, von Fans und den Medien ernsthaft wahrgenommen zu werden, ist sehr sehr schwierig. Einmal wegen der eben schon erwähnten Oberflächlichkeit und zum zweiten wegen dem Thema Dieter Bohlen. Jedes Mal kommen die Fragen nach Dieter Bohlen. Da frage ich mich, was ich mit dem Typen zu tun habe. Ich nichts... Er saß bei meinen Auftritten in der Jury und hat dort sein Statement abgegeben, ob ich gut oder schlecht war.

Schließen wir das Thema einfach mal mit einer letzten Frage ab: Würdest Du alles noch einmal so machen, wie Du es gemacht hast, also incl. DSDS?
Ganz ehrlich?

Ja, bitte ...
Ja! Egal, welche Castingshow... im Nachhinein betrachtet, hat mir die Sendung auch gewisse Türen geöffnet, deren Zugang ich vorher nicht hatte. Natürlich muss man auch mit Überzeugung an der ganzen Sache hinterher weiter arbeiten und versuchen, die Leute von sich zu überzeugen. Ganz wichtig ist aber auch, sich nicht selbst Druck zu machen, sondern die Dinge einfach geschehen zu lassen. Wenn man sich zuviel Druck macht und immer das "Ich muss, ich muss, ich muss" im Kopf hat, passiert gar nichts. Auch was die Medien und die Radiosender angeht. Das habe ich für mich auch gelernt, dass es nichts bringt, den Leuten dort immer Honig um den Bart zu schmieren und sie zu bitten, die eigenen Songs zu spielen. Mittlerweile habe ich mich davon auch frei gemacht. Das ist die Erfahrung, die ich in den vergangenen fünf Jahren gemacht habe.

Du machst keinen Hehl daraus, dass Du aus dem "Pott", also aus dem Ruhrgebiet kommst. Deine DVD hast Du auch kurzerhand "Live aus'm Pott" genannt. Bist Du inzwischen so was, wie der musikalische Botschafter der einstigen Industrie- und Zechenhochburg Deutschlands?
Hmmm, da bin ich - glaube ich - nicht der einzige (lacht). Ich versuche, mich dem zwar auch anzuschließen, aber da gab es in der Vergangenheit auch schon verschiedene Künstler aus dem Ruhrgebiet, die auch als Botschafter unterwegs waren.

Sprechen wir doch mal ein bisschen über Dein aktuelles Album "Männer sind so". Wie sind Männer denn wirklich? Doch nicht wirklich so, wie Du sie in dem gleichnamigen Song beschreibst, oder?
(lacht) Unterschiedlich und facettenreich sind Männer, würde ich mal sagen. Der Titel des Albums und der Titel des Songs sind zwei Paar Schuhe. Das hat sich nun mal so ergeben, weil ich die Assoziation zum Album mit dem Titel "Männer sind so" ganz witzig fand und auch angemessen für diese Scheibe, denn das Album ist songtechnisch ja auch sehr facettenreich gestaltet. Ich habe da z. B. ein Duett drauf - übrigens auch eine neue Erfahrung, die ich gemacht habe. Das ist ein ziemlich untypischer Song, denn die Sängerin singt auf Englisch und ich singe auf Deutsch. Das ist eine wunderbare Duett-Ballade geworden. Das war einfach schön, diese Erfahrung machen zu können, sich im Studio kennen zu lernen und den Text gemeinsam geschrieben und daran gearbeitet zu haben.012 20130723 1735157387 Meine Duettpartnerin ist übrigens Jaël Malli, die Sängerin von LUNIK. Das ist eine Schweizer Band, die in ihrer Heimat schon einige Erfolge gefeiert haben und die auch schon versucht haben, auf dem deutschen Musikmarkt an diese Erfolge anzuknüpfen. LUNIK waren z. B. schon im Vorprogramm der Tournee von JULI zu sehen. Wir haben uns im Studio durch unseren Produzenten kennengelernt. Ansonsten gibt's auf der CD auch autobiographische Texte, wie z. B. bei "Was wäre wenn" und die Liebe zum Ruhrpott wurde im Song "Wo wir sind" thematisiert. Es gibt aber auch härtere Stücke, in denen z. B. ein gewisser Strich unter eine Beziehung oder eine Freundschaft gezogen wird, wie in "Mein letztes Hemd"... Wie gesagt, ein sehr facettenreiches Album.

Den habe ich auch hier auf meinem Zettel stehen. Wieviel Biographisches steckt denn in "Mein letztes Hemd"? Das ist ja offenbar eine Abrechnung mit einer Ex-Freundin ...
Nein, nicht mit einer Ex-Freundin (lacht). In dem Song geht es um einen Kumpel. Für mich ist Musik auch eine Art Therapie. Sie ist für mich ein Psychologe (lacht). Wenn man mal etwas auf den Punkt bringen möchte oder man mit irgendwas abschließen möchte, ist Musik das ideale Ventil.

Der Song "Männer sind so" ist am Ende der CD zu finden und musikalisch ein richtiger Ausreißer ...
Absolut, ja! Ich wollte für mich persönlich auch erfahren, wie die Leute auf den Song reagieren. Du hast es ja schon richtig gesagt, es ist ein Ausreißer. Gleichzeitig aber auch eine Singleauskopplung und die Leute versuchen ja immer, anhand einer Single abzulesen, wohin die Reise mit dem neuen Album gehen könnte. Wenn man sich das Album von Anfang an anhört, verfolgt es einen roten Faden. Nur dieser Song, der reißt das alles irgendwie komplett auseinander (lacht). Aber das war wirklich so gewollt von mir.

Da gibt's ja zwei Gründe, warum man sowas macht. Der eine könnte sein, dass man mit einem etwas "seichteren" Song ins Radioprogramm aufgenommen werden möchte oder dass man versucht, so einen kleinen Gag zu starten, in dem man sich selbst ein bisschen auf den Arm nimmt ...
So sieht's aus! Das war auch mein Vorhaben, mich selbst auf den Arm zu nehmen (lacht). Das ist gleichzeitig auch eine etwas humorvollere Weise, sich mit einem neuen Album zu präsentieren. Dieser Song steht ja keinesfalls stellvertretend für das Album, denn da gibt es durchaus ja auch ernstere Themen. Ich wollte mich und das Album dieses Mal aber so präsentieren und mir war es egal, wie die Leute darauf reagieren. Als erstes muss es ja mir gefallen. Das ist ja auch Sinn der Sache. Man muss selber mit seiner Arbeit erst mal zufrieden sein, bevor man andere damit zufrieden macht.

Wir sprachen gerade über Deine Beziehung zum Ruhrgebiet. Da passt das Stück "Wo wir sind" ja ganz wunderbar rein. Eine Hymne an die Heimatstadt und das Umland und möglicherweise ein Kandidat für eine Singleauskopplung?
Das habe ich mir zuerst auch gedacht. Aber ich bin der Meinung, dass sich solche Lieder selbst entwickeln müssen. Das muss man nicht auf Biegen und Brechen versuchen, in diese Richtung zu lenken und es als Single auskoppeln. Das ist nicht meine Art und Weise. Ich finde es schöner, wenn so ein Song ein Selbstläufer wird, die Leute darauf abfahren und es sich bei Konzerten immer wieder wünschen. Das ist 'ne schöne Nummer mit tollem Groove, die auch Spaß macht, sie live zu spielen.

Wer ist die Vorlage für das Stück "Was wäre wenn"? Gibt es diese Person im realen Leben oder ist sie fiktiv?
Ja, die Person gibt's! Das ist mein Dad ... Das ist quasi seine Geschichte, die er in jungen Jahren erlebt hat. Auch auf mich bezogen, denn ich habe irgendwann bemerkt, "Mensch, ich bin ja sozusagen auch in ein Casting gegangen." Mein Vater wollte Schauspieler werden und hat sich, bevor er sein Bergbauwesen-Studium angefangen hat, an einer Kunsthochschule beworben. Er wurde dort angenommen und hat auch fast alles bestanden - nur tanzen wollte er nicht. Das gehörte letztlich aber zu einer Aufnahmeprüfung dazu, also eine Art Casting vor allen Professoren. Da hatte er aber keinen Bock drauf und daran ist sein Plan, Schauspieler zu werden, auch gescheitert. "Was wäre wenn", ich glaube, jeder hat sich diese Frage schon mindestens einmal gestellt. Und das war sozusagen der Funken, der diesen Song hat entstehen lassen.

Hast Du auf der Scheibe ein Lieblingsstück?
Ja, alle... Ich bin von dem gesamten Album sehr überzeugt, sonst hätte ich das so auch nicht gemacht. Da steckt ja auch die intensive Arbeit von 1 1/2 Jahren drin.

Dein erstes Album belegte hierzulande - ich sagte es schon - Platz 1 der Album-Charts. Das zweite Platz 15, das dritte Platz 24 und das aktuelle Album kam nach seiner Veröffentlichung "nur" noch auf Platz 28. Auch wenn da nach oben hin noch was passieren kann, denn - wie gesagt - die CD ist noch ganz frisch, aber machst Du Dir wegen der rückläufigen Zahlen Gedanken?
Nö! Auf keinen Fall. Das ist ja das, was ich vorhin schon sagte. Ich glaube bis heute nicht, dass ich von meinem ersten Album 300.000 Stück verkauft habe. Diese Zahlen sind von der Industrie so gemacht. Ich glaube, dass ich jetzt mit dem Album auf dem reellen Stand der Dinge angekommen bin und dass ich diese Anzahl Leute mit meiner Musik erreiche. Ich glaube auch, dass ein gewisser prozentualer Anteil der Menschen da draußen, die mich damals im Fernsehen gesehen haben, zu den typischen RTL-Guckern gehören. Es war in dem Augenblick damals vielleicht auch trendy und angesagt, darum hat man sich mein erstes Album gekauft. Ein paar Jahre später interessieren sich die Leute aber schon nicht mehr dafür. Ein weiterer Faktor ist, dass man in den Medien kaum bis gar nicht stattfindet. Ich habe mich von den Plattenfirmen getrennt. Dadurch hat man nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten, mediale Unterstützung zu bekommen. Promotion kostet letztlich eine Menge Geld. Und dann fängt es an, dass die Verkaufszahlen rückläufig werden. Und jetzt bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich sehr glücklich bin. Mit den Verkaufszahlen weiß ich jetzt, wo mein Stand ist.

Womit wir wieder beim Thema "Was wäre wenn" wären: Auch wenn es rückläufige Zahlen sind, Du schaffst diese Verkaufszahlen und damit auch die Chartplatzierungen so gut wie ohne Hilfe einer Plattenfirma oder durch Medien...
Ja, das stimmt! Das wollte ich damit auch sagen.

Glaubst Du, mit einer großen Plattenfirma und genug Geld für Werbung würde Deine CD ganz andere, nämlich höhere Chart-Plätze einnehmen?
Das wäre möglich. Aber das ist mir egal. Ich war vorher bei der SONY/Columbia, die hatten diese ganze Maschinerie und wir waren mit dieser Sendung ein Teil dieser Maschinerie. Die wissen im Vorfeld schon ganz genau, dass mit den Siegern dieser Sendung auf die Jahre gesehen nicht viel gehen wird, sondern nur in dem einen Jahr, in dem der Hype durch die Sendung besteht. Und die wissen ebenso genau, dass sie eine Unterstützung durch die Öffentlich-Rechtlichen Medien knicken können. Das heißt, die machen nur die Organisation zusammen mit dem zwangsverheirateten Management. Darum versuchen die auch, das Produkt so schnell wie möglich an den Start zu kriegen, den Hype um den Sieger mitzunehmen und letztendlich ist der TV-Sender da, um die Promo für das Produkt zu machen. Trennst Du Dich von dem Ganzen und bietest den Boulevard-Medien keine Themen mehr, so wie ich es gemacht habe, bist Du raus... Du bist ganz schnell raus aus dieser Maschinerie. Der Manager muss zusehen, dass der Künstler immer in der Boulevard-Presse präsent ist. Das heißt, dass wir nur über diese Schiene unsere Aufmerksamkeit bekommen. Über Radiosender nicht.

Das alles klingt ja ziemlich ernüchternd. Wie begegnest Du dieser so scheinbar aussichtslosen Situation, dass Dich die Menschen trotzdem noch wahrnehmen und Dich nicht vergessen?
Da kommen wir zum Faktor Fangemeinde. Der ist ganz wichtig. Das haben wir uns als Live-Band hart erspielt. Wir sind eine super funktionierende und untereinander vernetzte Gemeinschaft. Wir, die Musiker, sind mit den Fans immer im Austausch. Ich bin in den ganzen fünf Jahren, in denen ich jetzt öffentlich Musik machen darf, nach dem Konzert rausgegangen und habe mit den Leuten gesprochen. Ich gebe Autogramme, hole mir nach der Show ein Feedback ab und so sind die ganzen Kontakte dabei entstanden. Die Fans und ich sind eins! Das ist ein ganz wichtiger Faktor und nur so geht's. Und die Fans bilden auch bundesweite Streetteams und wenn es drauf ankommt, sind sie da. Ohne die würde das alles gar nicht funktionieren. Ohne Fans funktioniert kein Künstler, es sei denn, man bekommt die mediale Begleitung und wird rauf und runter gespielt.

Wir sprachen über das Verhältnis zwischen den Castingshow-Teilnehmern und den Öffentlich-Rechtlichen: Mir ist aufgefallen, dass die DSDS-Gewinnerin aus diesem Jahr, eine Künstlerin aus dem Bereich "seichter Schlager mit Hang zum Volkstümlichen", plötzlich in einer Samstagabend-Show im ZDF oder in der ARD - ich weiß es nicht mehr so genau - auftaucht. Scheinbar werfen die Herrschaften von ARD und ZDF ihre eigenen Vorgaben über Bord, wenn's gerade passt ...
Ich bin mit meinem Song "Love is you" auch beim Sender 1LIVE (WDR) gelaufen. Das ist auch eine ganz einfache Geschichte: Landest Du in den deutschen Charts auf Platz 1, dann kommen die meisten Sender gar nicht drum herum, Dich zu spielen. Und wenn ich richtig informiert bin, ist die diesjährige Siegerin (Beatrice Egli, Anm. d. Verf.) mit ihrem Album auf Platz eins gelandet. Deshalb kommt man um sie schon nicht mehr drum herum. Die Macher stehen da sicher zähneknirschend dahinter, denn sie müssen es machen. Das ist die Politik dabei. Das ist meine Meinung zu dem Ganzen.

Du hast musikalisch einen ziemlich großen Output, denn Du hast in fünf Jahren vier Alben und eine DVD gemacht. Wie entstehen neue Lieder überhaupt bei Dir? Hast Du eine besondere Herangehensweise?
Bei dem zweiten und dritten Album war es so, dass da teilweise Songs drauf sind, die ich früher schon mal angefangen hatte, zu schreiben. Entweder hatte ich schon eine Idee oder eine Melodie, die ich dann letztendlich in die Songwriting-Phase mit eingebracht habe. Außerdem hatte ich das Glück, mit fantastischen Songwritern zusammenarbeiten zu dürfen, die u. a. auch schon für SILBERMOND, SILLY und alle möglichen anderen Künstler, die auf dem Markt erfolgreich sind, Songs geschrieben haben. Das sind alles Musiker, die selbst schon mal mit einer Band auf der Bühne standen und die sich dazu entschlossen haben, nur noch für einen Verlag Songs zu schreiben. Die schreiben komplette Songs mit Texten und liefern die dann ab. Ich bin aber einer, der sich vorher schon Gedanken macht, der gerne seine eigenen Ideen mit einbringt und selbst Songs schreiben möchte. Ich habe mich mit denen dann hingesetzt und das sprudelte dann einfach nur so. So war es bei dem neuen Album jetzt auch. Ich habe mit zwei Songwritern zusammen gearbeitet, immer im Wechsel. Mal bin ich für eine Woche dahin gefahren, in der nächsten Woche war ich dann dort. Für mich ist das ein großes Glück. Ich sehe das mit einem Songwriter so wie damals, wenn ich mit einem Kumpel im Proberaum Songs geschrieben habe. Man setzt sich hin, man tauscht sich aus ...

... eine Gruppendynamik ...
Genau, eine Gruppendynamik! Und so ist es dann auch möglich, dass man innerhalb von 1 1/2 Jahren ein Album auf die Beine stellen kann. Das machen heutzutage ja auch ganz viele andere Künstler so.

Aber nicht unbedingt mit so einer Qualität. Ich hab da schon den größten Mist gehört!
Ganz ehrlich? Ich wusste schon nach dem ersten Album, wie hart das alles wird. Ich habe mir gesagt, "Thomas, Du musst am besten jetzt abliefern!" und mir das auch zum Ziel gemacht. Und mir war auch klar, dass es am besten alle eineinhalb bis zwei Jahre passieren muss. Du musst am Ball bleiben. Wenn Du das irgendwann nicht mehr verfolgst, bist Du auch ganz schnell wieder weg. Das ist eben mit Arbeit verbunden - logisch!

Wir sprachen am Anfang unseres Gesprächs über Deine Herkunft. In Polen gab es so großartige Musiker, wie z. B. Marek Grechuta, die Gruppe Budka Suflera oder Czeslaw Niemen, um nur ein paar Wenige zu nennen. Gibt es Vorbilder aus der alten Heimat oder ist die Musikszene in Polen an Dir vorbei gegangen?
Ich war damals noch sehr jung, als wir Polen verlassen haben. Aber natürlich kenne ich Bands, wie PERFECT oder CZERWONE GITARY, also die ROTEN GITARREN. Auch BUDKA SUFLERA kenne ich. Später lernte ich dann z. B. auch die Band WILKI, übersetzt "Die Wölfe", kennen. Bei der Arbeit zu meinem zweiten Album hatte ich dann das große Glück, mit dem Sänger von WILKI zusammenarbeiten zu können. Robert Gawlinski heißt er, und wir haben zusammen das Lied "Zwyk?a Mi?o??" geschrieben, das als letztes auf meinem zweiten Album zu finden ist. Auf jeden Fall kenne ich aus meiner alten Heimat einige Bands. Und ich wollte auf dem zweiten Album meine Wurzeln präsentieren, also den Leuten auch zeigen, wo ich herkomme.

Gibt es andere Musiker oder Bands, die Dich inspirieren oder auf die Du schaust, wenn Du eigene Songs schreibst und arrangierst?
Ja, da gibt es viele deutsche Künstler, z. B. BOSSE. Ein supergeiler Typ, mit dem ich auch schon einmal, nämlich für mein zweites Album, zusammenarbeiten durfte. Auch die Band P:LOT aus Köln gehört dazu. Ich höre auch sehr gerne die Musik der Gruppe ALTER BRIDGE. Das ist die ehemalige Gruppe CREED mit neuem Sänger. Das sind zwar Amis, aber die machen richtig geile Rockmusik.

Wie sehen die Pläne für die Zukunft aus? Hast Du Dir für die nächsten drei oder vier Jahre schon etwas vorgenommen? Gibt es da schon Ideen oder werden die im Laufe der Zeit angepackt, wenn sie gerade frisch sind?
Also an das, was in drei oder vier Jahren sein kann, denke ich jetzt noch gar nicht. Bei mir geht das immer etappenweise. Ich setzte mir immer ein Fähnchen, ein Ziel und versuche, das dann abzuarbeiten. Für den Herbst planen wir eine Akustik-Tour und auch ein Akustik-Album mit ausgewählten Songs der letzten zwei oder drei Alben. Das wird aber etwas ganz Besonderes werden, denn wir wollen die Songs so arrangieren, dass man auf den ersten Ton nicht erkennen kann, um welches Stück es sich handelt. Erst am Gesang bzw. am Text wird man sie erkennen können. Damit wollen wir im Oktober mit sieben bis zehn Konzerten auf Tour gehen. Eventuell wollen wir zum Ende des Jahres noch eine zusätzliche Tournee zum aktuellen Album spielen. Das ist das, was ich in naher Zukunft anstrebe. Aber im Hinterkopf mache ich mir schon wieder Gedanken über das nächste Album, denke mir neue Songs und Ideen aus. Das sprudelt gerade so aus mir raus, denn ich bin in einer kreativen Phase. Meistens kommt das beim Autofahren oder wenn ich irgendwo bin. Dann halte ich das auf meinem Handy fest. Irgendwann kommt's dann zum sogenannten Songwriting und dann hat man schon was vorbereitet.

Das war's auch schon, Thomas. Ich danke Dir für Deine Antworten ...
Sehr gerne!

Wir wünschen Dir alles Gute und dass Du möglichst bald möglichst viele Einladungen ins TV und Radio bekommst und man Dein Tun auch entsprechend würdigt.
Ich mache mir da keinen großen Druck. Wenn jemand meine Songs mag und Bock auf mich hat, bin ich gerne am Start. Ansonsten mache ich mir da keinen Kopf mehr drum.


Interview: Christian Reder
Bearbeitung: mb, cr
Fotos: Redaktion